Fall Kassandra: Verdächtiger Junge (14) als frech und gewalttätig aufgefallen

Der 14-Jährige schikanierte immer wieder jüngere Kinder.

Velbert. Wie jemand, der ein Mädchen quält und zum Sterben in einen Gully geworfen hat, sieht er nicht aus: Stolz hält der Junge mit Nickelbrille und kurzem blonden Haar seine Urkunde in die Kamera. Die hat er bei einer Sommeraktion eines Kartclubs gewonnen. Von den Jungen um ihn herum hebt er sich rein äußerlich nicht ab. Doch der 14-Jährige soll der Peiniger der neunjährigen Kassandra aus Velbert-Neviges gewesen sein.

Der Tatverdächtige lebt mit seinen beiden jüngeren Schwestern und der Mutter in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Neviges, nur knapp einen halben Kilometer von der Stelle entfernt, an der Kassandra mit dem Tod kämpfte. Schon in der Grundschule wurde er auffällig. Ihm fiel es schwer, sich in Gruppen einzufinden.

In Neviges ist er als Rowdy bekannt. Er habe mit Steinen nach Autos geworfen, Kinder bespuckt und Mülltonnen umgetreten, heißt es. Bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal ist er ebenfalls kein Unbekannter. Zwei Ermittlungsverfahren wegen Beleidung und Sachbeschädigung wurden eingestellt. Ein Verfahren wegen Körperverletzung läuft.

Als Opfer guckte sich der verhaltensgestörte 14-Jährige regelmäßig Schwächere aus. Er piesackte und schikanierte im Jugendheim "Treff 51", das auch Kassandra besuchte, immer wieder jüngere Kinder.

"Er war sehr unruhig. Er hat viel gelogen", sagt Daniel Koge, Zivildienstleistender im Jugendtreff, über den Verdächtigen. Oft sei der 14-Jährige in Streit und Rangeleien verwickelt gewesen und habe schließlich Hausverbot erhalten, um das er sich aber nicht scherte. Wegen dieser Auffälligkeiten besuchte der Junge zuletzt eine Förderschule in Velbert mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung.

Lehrer und Sozialarbeiter kümmern sich hier um Jugendliche, die kaum Chancen auf einen Abschluss haben. Gebessert hat sich der 14-Jährige aber wohl nicht. Ein Mitschüler beschreibt ihn als gewalttätig: "Er trinkt, raucht und hat sich ständig geprügelt."

Ein Einzelhändler aus der Innenstadt beobachtete, wie der 14-Jährige mehrfach andere Kinder provozierte und ein jüngers Kind sogar getreten hat. "Ich habe ihm Schläge angedroht, sollte ich noch einmal mitbekommen, dass er andere Kinder traktiert." Eine Schülerin der nahegelegenen Gesamtschule, die den Tatverdächtigen kennt, sagt: "Der hatte kaum Freunde. Ich glaube, mit dem wollte auch keiner was zu tun haben, weil der eben ein bisschen komisch war und die Förderschule besucht hat."

Als Einzelgänger beschreibt ihn auch ein Eisverkäufer in der Nevigeser Innenstadt. "Im Sommer kommt der Junge immer mit seinen Eltern hierhin. Mit Freunden hab ich ihn nie gesehen. Meistens waren seine zwei jüngeren Schwestern auch dabei. Die ganze Familie ist eher normal, nur der Junge war eben ab und zu frech."

Der 14-Jährige bestreitet die Tat. Nach Beratung durch eine Anwältin macht er nun von seinem Recht Gebrauch, sich nicht zu äußern. Fraglich ist, ob der Förderschüler überhaupt bestraft werden kann. Nach deutschem Recht sind Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren nur "bedingt strafmündig".

Strafrechtlich verantwortlich wäre er nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) nur dann, "wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln". Ein Psychiater soll nun untersuchen, ob der stark verhaltensauffällige, aber normal intelligente Junge schuldfähig ist.