Neviges: Aus der Unterwelt ans Tageslicht

Renaturierung: Seit zwei Jahren ist der Motschenbrucher Bach aus dem Rohr befreit. Die naturnahe Gestaltung ist ein Gewinn, sagen die Fachleute – auch wenn’s teuer war.

Neviges. Die Erlen sind von alleine gekommen. Dicht an dicht stehen kleine Bäumchen entlang des Bachbetts auf dem Gelände der früheren Ziegelei Buschmann. Dazwischen blühen Kräuter, wuchern Gräser. "In einigen Jahren werden wir einen dichten Erlensaum haben.

Die Bäume sorgen dann dafür, dass das Wasser nicht zu warm wird und dass der Bauchlauf nicht so zuwächst. Man hätte natürlich auch gleich Bäume pflanzen können, aber das ist gar nicht nötig", erklärt Andreas Sauerwein.

Der Ingenieur ist bei den Technischen Betrieben zuständig für die Entwässerungsplanung und damit auch für die Renaturierung des Motschenbrucher Bachs. Seit zwei Jahren ist das Gewässer im unteren Teil des ehemaligen Buschmann-Areals jetzt aus dem Rohr befreit.

Wenn die Verfüllung der einstigen Tongrube abgeschlossen ist, soll der Bach auch dort offen fließen. Er entspringt jenseits der Straße Rosenhügel - und von da bringt er auch die Erlensamen mit, die nun weiter unten zu Bäumen heranwachsen.

Jahrzehnte lang war der Bach in die Unterwelt verbannt. Quer unter dem Gewerbegelände hindurch floss er durch Rohre, die an den Mischwasserkanal angeschlossen waren. Heute hat er ein neu modelliertes Bett, das entlang des Grundstücks bis zur Siebeneicker Straße führt. Nach Querung der Straße fließt das Wasser in einem offenen Graben, folgt der Teimbergstraße und wird dann durch ein Rohr in den Hardenberger Bach geleitet.

Rund 1,2 Millionen Euro hat die Renaturierungsmaßnahme bislang gekostet. Ein gewaltiger Betrag, der in Neviges auf einiges Unverständnis gestoßen ist. "Klar sagen einige: Da verbuddeln die eine Million Euro, damit dort ein paar Viecher rumkrabbeln", weiß Sauerwein um die Kritik. Doch nicht Naturromantik habe die TBV zu dem Projekt bewogen, das unter anderem dadurch so teuer wurde, dass viele Überbleibsel der früheren Industrienutzung beseitigt werden mussten.

Die naturnahe Gestaltung des Baches ist zugleich eine Kompensationsmaßnahme für die Flächen, die künftig durch das neue Gewerbegebiet versiegelt werden. 150 000 Quadratmeter sind als Gewerbegrund vorgesehen, einen Teil hat Erbslöh bereits mit neuen Produktionshallen bebaut.

In den Naturschutzgesetzen des Bundes und der Länder ist vorgeschrieben, dass Nachteile, die durch Bauvorhaben für den Naturhaushalt entstehen, vom Bauherren auszugleichen (zu kompensieren) sind. "Anstatt irgendwo Aufforstungen zu machen, konnten wir das Geld hier für die Renaturierungsmaßnahme verwenden", sagt Andreas Sauerwein. Auch wird der Bach in Zukunft das Oberflächenwasser aus dem Gewerbegebiet aufnehmen. Insgesamt 75 Prozent der Kosten für die Offenlegung des Baches können nach Angaben der TBV über Ausgleichgelder refinanziert werden.

Zudem entfallen Kosten dafür, dass reines Quellwasser in die Kläranlage geleitet und dort unnötigerweise aufbereitet wird. Andreas Sauerwein schätzt, dass dies einen Betrag von 200.000 Euro im Jahr ausmacht. Fazit: "Für den Gebührenzahler ist das hier die optimale Lösung", ist der Entwässerungsfachmann überzeugt.

"Das hochwertigste Biotop wird das hier aber nicht werden", dämpft TBV-Gewässerbeauftragte Carmen Bernzen zu hohe Erwartungen, "dafür ist zu viel Gewerbe drumherum."

In Neviges sei jedoch ein guter Kompromiss zwischen Ökologie und Gewerbenutzung gefunden worden. Unterhalb der steilen Böschung am Fuß der Straße Am Rosenhügel hat der neue Bach beispielsweise so viel Platz, dass es neben dem unmittelbaren Gewässerlauf eine stark durchnässte Vorlandzone gibt.

"Damit haben wir unterschiedliche Standortfaktoren für verschiedene Pflanzen, die wiederum Schmetterlinge und Libellen anziehen. Auch Amphibien und Insekten brauchen solche Zonen", sagt Bernzen. Aus Sicht der Gewässerbeauftragten ist zudem die Vernetzung des Gewässersystems sehr wichtig: "Aus intakten Nebengewässern werden zum Beispiel wieder Insekten in den Hardenberger Bach transportiert."

Letztlich, so Andreas Sauerwein, gehe es um "ein Stück Daseinsvorsorge": "Am Ende wird aus unseren Flüssen Trinkwasser gewonnen. Je schlechter es um die Gewässer bestellt ist, desto teurer wird für alle das Wasser."