Unterkunft für Flüchtlinge 535 Menschen bedeuten 535 Schicksale

Abgeordneter Uwe Schummer besuchte die Unterkunft für Flüchtlinge in der „Via Stenden“.

Unterkunft für Flüchtlinge: 535 Menschen bedeuten 535 Schicksale
Foto: Friedhelm Reimann

St. Hubert/Kerken. Die Rezeption des ehemaligen Hotels „Via Stenden“ hat ihre Funktion in gewisser Weise behalten. Im Empfangsbereich des Gebäudes an der Stadtgrenze zwischen St. Hubert und Kerken helfen Mitarbeiter den Gästen weiter. „Wie funktioniert es mit der ärztlichen Betreuung?“, „Gibt es eine Busverbindung in die Stadt?“, „Wann sind die Essenszeiten?“ — diese und viele noch wichtigere Fragen werden beantwortet. Die Gäste des Hauses sind aber keine Tagungsgäste, sondern Flüchtlinge aus den Krisenregionen der Welt. Derzeit sind es 535 Menschen — und somit auch 535 Schicksale.

„Man kann sich über das Thema in fachlichen Expertisen einlesen. Papier ist allerdings blutleer. Hier vor Ort kann ich sehen, wie die Situation ist. Und wo es zum Beispiel hakt“, sagt Uwe Schummer. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war gestern zu Besuch in der Erstaufnahme-Unterkunft der Bezirksregierung, um „vielschichtige Eindrücke“ zu sammeln.

„Äußerst positiv finde ich das Zusammenwirken der Helfer“, sagt Schummer während eines Gespräches mit der Einrichtungsleitung des Deutschen Roten Kreuzes. Das DRK als Betreiber der Unterkunft arbeite eng zusammen mit den Mitarbeitern der Bezirksregierung und den unzähligen Freiwilligen, die bei Essen- und Kleiderausgabe oder Registrierung der Flüchtlinge helfen.

Bei der Registrierung in Stenden wurde der Abgeordnete aus Neersen mit den aus Verwaltungssicht größten Problemen konfrontiert. „Die Computersysteme von Bund, Ländern und Kommunen sind nicht kompatibel. Alle verwenden eine unterschiedliche Software“, so Schummer. Heißt, dass die Mitarbeiter in Stenden die Daten der Flüchtlinge, die zum Beispiel in der Dortmunder Zentrale bereits elektronisch erfasst worden sind, noch einmal eingeben müssen. „An dieser Stelle wird die Arbeit derzeit doppelt und dreifach gemacht“, sagt DRK-Einrichtungsleiter Markus Jansen.

Unter anderem aus diesem Grund habe er Schummer nach Stenden eingeladen. „Wir wollten ihm demonstrieren, wo es hakt. Und ich bin guter Dinge, dass er diese Aspekte im politischen Berlin ansprechen wird“, so Jansen.

Erste Auswirkungen der bundespolitischen Maßnahmen mit Blick auf die Flüchtlinge vom Balkan hätten bereits gegriffen. Die Zahl der Menschen, die aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen, sei bereits gesunken. „Das spüren wir hier deutlich“, sagt Verwaltungsleiterin Marlen Krüger. Vor einigen Wochen habe der Anteil der Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien noch bei rund 40 Prozent gelegen. „Jetzt sind wir bei unter zehn Prozent“, so Krüger.

Derzeit komme der Hauptteil der Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. „Die Menschen bleiben zwischen drei und sieben Tagen hier. Sie werden von hier aus auf verschiedene Kommunen zur dauerhaften Unterbringung verteilt“, sagt Markus Jansen.

Neben der humanitären Herausforderung in Deutschland müssten auch weiterhin die „Anreize beendet werden, hierher zu kommen“, so Schummer: „Zum Beispiel den Menschen auf dem Balkan müssen wir deutlich machen, dass sie nicht in Deutschland bleiben können.“ So könne ein Teil des Flüchtlingsstroms eingedämmt werden.

Der Abgeordnete versprach den Mitarbeitern in Stenden, sich für ihre Belange einzusetzen. „Ich werde diese Dinge mit in die politische Beratung nehmen.“ So gebe es in Kürze auch ein Treffen mit Vertretern des Verteidigungsministeriums bei der Kempener Bundespolizei. „Da wird es zum Beispiel darum gehen, wie die Bundeswehr die Kräfte vor Ort unterstützen kann“, sagt Uwe Schummer.

Bei allen Bemühungen warb der Willicher aber auch um Verständnis. „In Sachen Ayslverfahren muss so viel umgekrempelt werden. Das klappt nicht von heute auf morgen“, so Schummer. „Früher kamen rund 20 000 Flüchtlinge pro Jahr. Dafür war das System ausgelegt.“ Inzwischen werde mit Jahreszahlen jenseits der Millionengrenze gerechnet.

Und ein kleiner Teil davon trifft sich in der Empfangshalle der Via Stenden. Syrische Kinder spielen Ball, eine Familie aus dem Irak wartet auf die Impfung ihres Säuglings, ein junger Mann aus Afrika hilft bei der Reinigung der Flure. 535 Menschen — und 535 Schicksale.