Neues Programm der „Haltestelle“ in Kempen „Dafür brennen, Wissen weiterzugeben“
Kempen · Wer im neuen Jahr auf der Suche nach jazzigen Formaten und besonderen Workshops ist, ist bei der „Haltestelle“ gut aufgehoben. Inhaber Andreas Baumann verrät, wie das mit dem lebenslangen Lernen funktioniert – in der Musik und im Leben.
Wer im Kulturzentrum „Haltestelle“ an der St. Töniser Straße in Kempen unterrichtet, erfüllt in der Regel drei Kriterien. „Unsere Lehrer müssen in erster Linie ihr Fach beherrschen, also Virtuosen am Instrument sein“, erläutert Inhaber Andreas Baumann. „Außerdem ist uns wichtig, dass sie zuverlässig sind. Und drittens, dass sie dafür brennen, ihr Wissen weiterzugeben.“ Baumann selbst habe immer mit Leuten zusammengearbeitet, die besser seien als er – ob als Reiter oder als Komiker, auch heute noch, mit 65 Jahren. „Bei uns geht es um Bildung. Wir wollen Kinder, Jugendliche und Erwachsene kulturell anregen.“
Die „Haltestelle“ ist ein besonderer Ort. Neben Konzerten finden hier auch Workshops und regelmäßige Kurse statt, alles im Zeichen der Bildung. Das Herz der „Haltestelle“ schlägt besonders für den Jazz, aber ab und zu mischen sich auch mal andere Musikrichtungen ins Programm.
Wie bei den „Concerti per Cembali“, bei denen im vergangenen Jahr vier Cembalisten plus Barockensemble Werke von Johann Sebastian Bach zum Besten gaben. So ein klassisches Projekt soll es auch in Zukunft wieder geben. Und manchmal geht es in der „Haltestelle“ gar nicht um Musik, wie bei den Englisch-Konversationskursen, die Kursleiterin Melanie Herkendell ab dem kommenden Herbst wieder anbieten soll. Hier wird mit kurzen Geschichten, Liedern und authentischen Texten aus dem Leben gearbeitet. Der Kurs richtet sich an Erwachsene.
Bei der „Haltestelle“ geht es eben um Bildung, um lebenslanges Lernen. „Ob am Instrument oder in anderen Bereichen, am Ende des Tages geht es nicht darum, was ich gelernt habe, sondern darum, was ich kann“, sagt Baumann, der neben seiner Bühnentätigkeit auch eine Ausbildung zum Pferdewirt gemacht hat. „Ein schickes Zertifikat bringt mich nicht weiter. Es geht um die Leidenschaft.“
So wie beim neuen Format des Kulturzentrums, der „Offenen Haltestelle“. Seit diesem Jahr spielen alle zwei Monate mittwochs Talentierte und Neugierige, Etablierte und Aufstrebende ihre Lieblingsmusik – meistens natürlich Jazz. Anders als bei gewöhnlichen Jam-Sessions liegt in der Haltestelle aber eine Setlist aus, die die gespielten Stücke, die Reihenfolge und die Besetzung regelt. Vorschläge und Wünsche können vorab per E-Mail eingereicht werden, anmelden darf sich im Prinzip jeder. Etwa zwei Wochen vor der Session werden fünf Titel der Setlist veröffentlicht, damit alle die Möglichkeit haben, sich vorzubereiten.
Bei der Auftaktveranstaltung am 8. Januar waren vor allem Einzelmusiker dabei, erzählt Baumann. Und natürlich eine erstklassige Opener-Formation, also ein bestehendes Ensemble, das den Anfang macht und den Teilnehmenden so den Druck nimmt, als erstes spielen zu müssen. Die nächsten Sessions sind für den 5. März und den 7. Mai geplant. Wer sich anmelden möchte, Fragen hat oder ein Sheet braucht, kann eine E-Mail an session@haltestelle-kempen.de schreiben. Auch Zuhören lohnt sich, der Eintritt ist frei. Der Einlass beginnt jeweils um 18.45 Uhr.
Bei den Konzerten in der „Haltestelle“ bringt oft Ausnahme-Trompeterin Luzie Micha ihre Kolleginnen und Kollegen von der Folkwang Universität mit. „Die sind alle super korrekt und einfach Spitzenmusiker“, schwärmt Baumann. Als Wertschätzung ihres Talents ermöglichte die „Haltestelle“ Micha vor drei Jahren ein Stipendium, damit sie sich auf ihre Karriere als Trompeterin konzentrieren kann. Die Trompeterin war den Betreibern beim Big-Band-Workshop durch ihre Begabung am Instrument aufgefallen. „Bei uns lernt jeder was, der lernen will“, betont Baumann.
Obwohl die „Haltestelle“ für viele Musiker in der Region (und darüber hinaus) ein Dreh- und Angelpunkt ist, finden Konzerte relativ selten statt – im Moment sind es nach Baumanns Schätzungen etwa sechs bis acht im Jahr. „Ich will nicht jeden Tag die Hütte voll haben“, sagt er. „Wir brauchen auch Freiräume. Für Workshops, für Begegnungen.“ Der Plan scheint aufzugehen. Nach all den Jahren, sagt er selbst, mache ihm die Sache immer noch riesigen Spaß.