„Das System funktioniert“

Seit vier Monaten ist die Notdienstpraxis in Viersen statt in Lobberich. Wie ist die Resonanz? Die WZ hat nachgehakt.

Kempen/Kreis Viersen. Seit dem 1. April muss man, wenn man außerhalb der Öffnungszeiten einen Arzt aufsuchen möchte, auch aus Kempen, Grefrath, Willich oder Tönisvorst in die Stadt Viersen fahren. Im Juni ist die kreisweite Notdienstpraxis von Dülken ans Allgemeine Krankenhaus Viersen (AKH) am Hoserkirchweg umgezogen. Wie haben sich die Zahlen nun nach der Schließung der Notdienstpraxis in Lobberich entwickelt?

Foto: Artemed

„Das ist schwer zu vergleichen. Kein Quartal ist wie das andere“, sagt Werner Peters vom Gesundheitsnetz Viersen (GNV). Aber der „Ostkreis“ mache 40 Prozent der Bevölkerung im Kreis aus, der Anteil der Notdienstfälle von Menschen aus diesen Städten liegt bei 18 Prozent. Mit etwa 20 Prozent hatte man gerechnet, so Peters. Schließlich sei es zum Beispiel für St. Töniser teils günstiger nach Krefeld zu fahren. „Der Wert ist zunächst okay“, so Peters. Man werde die Situation aber weiter beobachten.

Für Patienten gilt: Wer sich unwohl fühlt, sollte zunächst den Hausarzt konsultieren. Ist die Praxis zu, ist die Notdienstpraxis in Viersen die erste Anlaufstelle. „Wenn die Situation offensichtlich lebensbedrohlich ist, ist die 112 die richtige Wahl“, so Werner Peters. Wer nicht mobil ist, kann sich telefonisch in der Notdienstpraxis melden. Dann wird in einem Gespräch mit dem Arzt festgestellt, ob ein Hausbesuch notwendig ist oder der Patient ans Krankenhaus weitervermittelt werden muss.

Bei Notfällen mit Kindern außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten ist man in Viersen ebenfalls richtig. An den Wochenenden ist zusätzlich ein kinderärztlicher Notdienst eingerichtet, der mit der Kinderklinik zusammenarbeitet.

Dr. Georg Mergler ist selbst häufig in der Notdienstpraxis in Viersen. Der Allgemeinmediziner in St. Hubert und Obmann der niedergelassenen Kempener Ärzte ist davon überzeugt, dass das System funktioniert. „Von den Patienten, die dort waren, habe ich noch keine Klagen gehört“, so Mergler. Natürlich gebe es auch Menschen, die von St. Hubert eher nach Krefeld fahren. Aber die Fahrtzeit von etwa einer halben Stunde nach Viersen sei tolerabel. Auch für die Ärzte sei die Notdienstpraxis für den gesamten Kreis eine gute Lösung, denn sie teilen die Dienste dort untereinander auf. „Es ist das Gros der Hausärzte und einige Fachärzte, die Dienste machen“, sagt Mergler. Und die seien fachlich top. Auch er schätzt die Möglichkeit, wenn es notwendig wird, das benachbarte Viersener Krankenhaus mit einbeziehen zu können.

Im Kempener Hospital hat man durch die Schließung der Notdienstpraxis in Lobberich keinen Ansturm auf die eigene Notaufnahme bemerkt. „Es ist nicht mehr so entscheidend, ob man nun den Weg bis nach Lobberich oder nach Viersen auf sich nehmen muss“, sagt Dr. Florian Ruppe, Leiter der Notaufnahme. Allerdings sei es durchaus ein Politikum, dass die wohnortnahe Versorgung nicht sichergestellt sei. Alte und gehbehinderte Menschen zum Beispiel würden sich oft an die Notaufnahme wenden — auch wenn die Notdienstpraxis die richtige Anlaufstelle wäre. Die Zahl der Fälle in der Notaufnahme nehme kontinuierlich zu.

Ein weiterer Grund dafür: Es gebe eine Abnahme der Selbstsicherheit bei den Menschen, so Ruppe. „Die Leute sind immer verunsicherter wegen Kleinigkeiten. Nachdem es im Fernsehen einen Bericht über gefährliche Wespen gegeben hatte, war das Wartezimmer an den Wochenenden danach voll mit Menschen mit Wespenstichen.“ Ruppe rät zu einem gesunden Selbstvertrauen und dazu, ruhig auch auf Hausmittel zu setzen. „Das solle aber nicht heißen, dass man zu Hause bleiben sollte, wenn es einem schlecht geht.“

Auch wegen langer Wartezeiten bei Haus- oder Fachärzten würden die Patienten teils in die Notaufnahme gehen. Für die Krankenhäuser ist das deshalb ein Problem, weil sie eine Behandlungs-Pauschale bekommen, die nicht die tatsächlichen Kosten abdeckt. Weggeschickt werde man aber im Krankenhaus nicht, versichert Ruppe. Alle Patienten würden auch ärztlich angesehen, dann wird entschieden, wie es weitergeht.