Kempen „Ich habe auch so ein Tischchen“
Mehrere Kempener haben bis heute Kachelkunst von Annemarie Juris aufbewahrt.
Kempen. Im Jahr 1972 erbt die Kempenerin Hannelore Barth-Hormans das Rauchertischchen ihres Großvaters Hubert Barth. Der Tisch mit fünf bemalten Kacheln — Motive, die fünf holländische Pärchen zeigen — begleitet sie nicht nur in ihre erste eigene Wohnung, sondern bis heute, gut und gerne 44 Jahre lang. „Der ist schon x-mal geflickt worden. Ich konnte mich aber nie davon trennen.“
Die mittlere Kachel ist mit A. Juris signiert und mit „1948“ datiert. Dass sich hinter A. Juris Annemarie Juris verbirgt, die Tochter des damaligen Sparkassendirektors, hat Hannelore Barth-Hormans gerade aus der WZ erfahren.
Mit Marlene Nauels und Inge Vietoris hatten sich zwei andere Leserinnen im Zusammenhang mit der Recherche zu den Soldaten-Wandbildern im Haus Donkring 21 an die junge Frau erinnert. Sie war als künstlerisch sehr begabt bekannt, habe gemalt, wo sie ging und stand, erinnert sich ihre Freundin Marlene.
Frau Nauels besitzt noch heute eine von Annemarie Juris bemalte Kachel. Sie zeigt Marlene als junges Mädchen mit ihrem späteren Ehemann beim Tanz auf einem Kostümball in der damaligen Königsburg. Inge Vietoris hat fünf Märchen-Kacheln zu Hause, die zu einem Couchtisch ihrer Eltern gehörten, der von der jungen Frau für sie angefertigt worden war.
Nun also ein weiteres Juris-Tischchen in einem Kempener Haushalt. Hannelore Barth-Hormans: „Mein Großvater war ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher. Um den Tisch standen zwei Ohrensessel. Ich sehe meinen Großvater noch in einem sitzen und genüsslich paffen.“ Sie und ihre Schwester habe als Kinder immer das küssende Holländer-Pärchen auf einer der Kacheln fasziniert.
Hannelore Barth-Hormans’ Großvater hat früher im Arbeitsamt, „an der Kasse gearbeitet. Er hat den Tisch 1949 von seinen Kollegen zur Silberhochzeit geschenkt bekommen.“ Sie vermutet, dass sich die junge Frau Juris in den Nachkriegsjahren „ein Zubrot“ mit ihrer Kunst verdient hat. Es sei eine schöne Erinnerung an ihren Großvater, der auch ihr Taufpate gewesen sei. „Vielleicht hat ja mein Patenkind später einmal Lust dieses Tischchen auch als Erinnerungsstück zu übernehmen.“
Auf die WZ-Berichterstattung über die Juris-Motive hat sich auch der Kempener Ulrich Hermanns gemeldet. „Meine Mutter Gerta hat ebenfalls einen Couchtisch mit fünf Kacheln, die in Verbindung mit Blindkacheln wie ein Schachbrett angeordnet sind.“ Sie habe ihn noch vor der Währungsreform erstanden, ihn mit „Zigaretten und 50 Reichsmark bezahlt“. Nachgefragt bei Gerta Hermanns erzählt sie, dass sie den Tisch Weihnachten 1947 ihrem Vater Karl Weegen geschenkt hat. Ihr Bruder habe ihr damals geholfen und ihn bei Tischler Kramer von der Mülhauser Straße abgeholt. Dieser Tischler war ein Nachfahre von Konrad Kramer, Restaurator und Sammler. Seine Exponate überließ er der Stadt Kempen als Schenkung; nach ihm ist das Städtische Kramer-Museum benannt.
In der Redaktion meldete sich kurze Zeit später auch Thomas Schongen, der bei der Stadt im Rechnungsprüfungsamt arbeitet und als Traktoren-Liebhaber bekannt ist. Der Kempener besitzt seit „,mindestens 30 Jahren“ einen Couchtisch, „60 an 60 Zentimeter groß“, mit fünf Fliesen, die wie in den Haushalten Vietoris, Barth und Hermanns mit Blindfliesen im Schachbrettmuster angeordnet sind.
Der Tisch mit Motiven tanzender Mädchen stand früher bei Schongens Eltern. Seine heute 87-jährige Mutter hatte eine Freundin, die im gleichen Haus wie Annemie Juris gewohnt hat.
„Die Farben der Fliesen haben etwas gelitten, weil da unser Weihnachtsbaum drauf gestanden hat“, erzählt Schongen. „Eine hat einen Riss“. Aber die Sammlerseele Schongen, der sich „gern mit alten Dingen umgibt“ hält den mit „Annemie Juris“ signierten Tisch aus dem Jahr 1945 in Ehren. „Er steht gleich neben einem alten Cocktailsessel.“ Und auch dieser Tisch erhielt sein Holzgestell in der Schreinerwerkstatt von Kramer.