Lobberich: Theater - Der Verfall der Buddenbrooks im Zeitraffer

In der Jaeger-Halle zeigte John von Düffel aktuelle Ansätze bei Thomas Mann.

Lobberich. Buddenbrooks - eine enorme schriftstellerische Leistung, die Thomas Mann den Literatur-Nobelpreis einbrachte. Ebenfalls eine Herkules-Aufgabe: Diese füllige Familienchronik auf der Bühne in zweieinhalb Stunden zu präsentieren. John von Düffel nahm diese Herausforderung an, das Euro-Studio brachte am Sonntagabend die Buddenbrooks auf die Bühne der Werner-Jaeger-Halle.

Was als erstes auffiel: Das sachlich-schlichte Bühnenbild. Lediglich ein großes, bodentiefes Sprossenfenster zeugte von einem großbürgerlichen Milieu. Von Düffel hatte immer wieder Mut zum Weglassen beweisen müssen - ihm war offenbar nicht daran gelegen, einen nostalgisch verklärten Abgesang auf längst vergangene großbürgerliche Zeiten zu liefern. Stattdessen wandte er sich Themen zu, die auch heute noch aktuell sind.

Mit hervorragenden Schauspielern wie Klaus Mikoleit (Konsul Johann Buddenbrook) gelang es von Düffel, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Nach einem etwas enttäuschenden Start- die Akteure wirkten fast so steif wie die mächtigen Säulen auf der Bühne - wurde die Inszenierung bald verbindlicher und eindringlicher. Und sie wurde Thomas Mann auch in Bezug auf dessen Vorliebe für schillernde Charaktere gerecht.

Ein Beispiel: Bendix Grünlich (Mathias Engel), kein Bild von einem Mann, aber "regsam und findig". Er hielt aus wirtschaftlichen Gründen um die Hand Tony Buddenbrooks (Nadine Nollau) an. Eine Zwangsheirat mag zwar anders aussehen, eine Liebesehe aber auch.

Das Zusammenspiel von Geld und Glück, von Biographie und Ökonomie sollte sich wie ein roter Faden durch die Inszenierung ziehen. Den Verfall - ein Lieblingsthema Manns - erlebten die Zuschauer im Zeitraffer. Ehe sie sich an den bayerisch-derben Hopfenhändler Permaneder (Dirk Schmidt) als Tonys zweiten Mann gewöhnt hatten, war das Paar schon wieder geschieden - ein Makel, der heute kaum noch einer wäre.

Ansonsten herrschte Aktualität. Da wurde deutlich, dass auch im Zeitalter vor der Globalisierung Geld die dominierende Rolle spielt und Menschen ihre Würde nehmen kann. Nach der Pause schritt der Untergang der Kaufmannsfamilie unaufhaltsam fort: Sohn Thomas (Jan Hinnerk Arnke) hatte als Nachfolger seines verstorbenen Vaters seinen jugendlichen Charme schlagartig eingebüßt, es kam zu geradezu ätzenden Verbalattacken gegen seinen Bruder Christian (Jörg Walter), der für’s Business nicht taugte.

Ein "Schlussstrich" nach zweieinhalb Stunden: Der kleine Hanno (Felix-Jasper Holzfurtner) hatte zwei Doppelstriche unter das Familienstammbuch gesetzt: Die Buddenbrooks waren zu Losern geworden.