Polen: Freunde besuchen Freunde
20 Schüler besuchen Gastfamilien im östlichen Nachbarland. Initiator sind der Verein „most“ und das Thomaeum.
Kempen. "Das wird kein Urlaub", sagt Bjarne Norlander mit einem Blick in die Runde von Jugendlichen, die sich in einem Klassenraum des Thomaeum versammelt hat. Norlander, der Vorsitzende des deutsch-polnischen Freundschaftsvereins "most", organisiert für die Jugendlichen aus der neunten, zehnten und elften Klasse eine Fahrt in das östliche Nachbarland.
Die 20 Schüler scheint diese Ankündigung aber nicht zu schrecken. Im September verbringen sie zwei Wochen in polnischen Gastfamilien. Das seien mehr Reisewillige als erwartet, freut sich Norlander.
Die Motive für die Teilnahme sind vielfältig: Eine Schülerin hat polnische Wurzeln, andere haben im vergangenen Jahr bereits einen polnischen Austauschschüler beherbergt und nun Lust bekommen, deren Heimatland zu erkunden.
Die 16-jährige Katharina Elsemann hat vor zwei Jahren bereits teilgenommen und fährt nun ein zweites Mal mit. Sie hat gute Erfahrungen in der polnischen Familie gemacht. "Sie waren wirklich sehr gastfreundlich."
Auch wenn die Verhältnisse ärmlicher sind, seien die Polen doch sehr bemüht, das die Gäste nicht spüren zu lassen, bestätigt Norlander. Von der Begeisterung lassen sich andere Schüler anstecken. So hat Katharina ihre Freundin Josefine van Soest überredet mitzufahren.
Zum achten Mal findet der Austausch mit Ulanów in Ostpolen statt, zum vierten Mal fahren deutsche Schüler in das Nachbarland.
Angst davor, dass es Probleme mit der Verständigung geben könnte, haben sie nicht. "Ich hoffe schon, dass die auch Englisch können", sagt Stephan Elsemann. Mit dem polnischen Austauschschüler, der 2006 bei ihnen gewohnt hat, habe die Kommunikation gut funktioniert.
Da haben die Schüler schon festgestellt, dass sie viel gemein haben. "Wir waren schwimmen oder haben Fußball gespielt", berichtet Stephan. Einige halten noch immer Kontakt per E-Mail. "So werden aus Fremden Freunde", freut sich Norlander.
Bevor es auf große Fahrt geht, trifft sich die Reisegruppe mehrmals nachmittags, um sich über Land und Leute zu informieren. "Wir wollen die polnische Aussprache trainieren und etwas über die Kultur und die Politik dort lernen", erklärt Norlander.
"Aus unserer Geschichte heraus gibt es ein besonderes Verhältnis zwischen Deutschland und Polen. Das polnische Volk hat unter den Deutschen sehr gelitten. Daher gibt es auf polnischer Seite oft Ängste", fügt Thomaeum-Leiter Edmund Kaum hinzu. Da sei von den Schülern ein sensibler Umgang gefragt.
Weil es immer noch viele Vorbehalte gebe, sei es so wichtig, Erfahrungen zu sammeln, findet Kaum. Die verspricht Norlander den Schülern in Hülle und Fülle. "Man ist überrascht über den Ideenreichtum. Die Polen machen viele Besichtigungen und Ausflüge. Da hat man Schwierigkeiten mitzuhalten."
Mit dem Gymnasium in Ulanów wird übrigens das Projekt "Musikbrücke" forciert: Ende 2008 wird ein gemeinsam erarbeitetes Programm sowohl in Polen als auch in Kempen aufgeführt.
Lage Das sehr ländlich gelegene Ulanów liegt im Osten Polens an den Flüssen Tanew und San; 260 km sind es bis Krakau und 100 km bis zur ukrainischen Grenze. Bis Kempen sind es 1350 km, die Zugfahrt dauert gut 20 Stunden.
Grösse Die Gemeinde hat 9000 Einwohner und ist flächenmäßig doppelt so groß wie Kempen.
Wirtschaft Ulanów ist 380 Jahre alt und gilt als "Klein-Danzig": Wegen der riesigen Wälder wird bis heute Holz über San und Weichsel nach Danzig geflößt.