Kempen Theaterfieber: „Türen zu neuen Räumen aufstoßen“

Schüler der Erich Kästner Realschule haben für ein Musical geprobt, das am kommenden Wochenende aufgeführt wird.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Das Mikrofon von Julian ist unauffindbar. Gerade jetzt, während der ersten Szenenprobe des Tages, kann der „tote Soldat“ seinen Text nur unverstärkt zum Besten geben. Wenig später jedoch ist das gute Stück wieder aufgetaucht — und es geht weiter.

Hinter sieben Schülerinnen und ihrem Klassenkameraden Julian Sczyrba von der Erich Kästner Realschule liegt ein hartes Probe-Wochenende. Die Vorbereitung zum Schülermusical „Und eh der Spaß vorüber … Schauerballaden“ soll sich auszahlen: Es wird am kommenden Wochenende aufgeführt.

Von Anbeginn dabei ist Musiklehrerin Sonja Kandels: „Im vergangenen Jahr haben sich dieselben Schüler im Musical Handy-Cap mit Mediennutzung beschäftigt. Insgesamt ist das nun mein viertes Musicalprojekt seit 2013.“ Sie hat die musikalische Leitung, ihr zur Seite steht Schauspielerin Susanne Stangl als Regisseurin und schauspielerische Leiterin. Die gebürtige Krefelderin ist Profi durch und durch, gibt den Schülern klare Anweisungen, legt letzte Hand an die Szenen.

„Was würdest Du heute tun, ginge morgen die Welt unter?“, fragte Kandels zu Schuljahresbeginn einleitend. Die Antworten der Schüler wurden zu Songs, Texten und Szenen, ihre Fantasie bildet die Grundlage des Projekts des „Wahlpflichtfachs Musiktheater“ im Rahmen des Landesprogramms NRW „Kultur & Schule“. Kandels vertonte die Goethe-Ballade „Der Fischer“, hinzu kamen Texte von Morgenstern, Wilhelm Busch, Ricarda Huch und Rammstein. Das Ergebnis kann sich, so viel sei an dieser Stelle verraten, mehr als sehen und hören lassen.

Eine der Zehntklässler ist Lea Schmitz. Die 15-Jährige hat wie auch die anderen „Zombies“ ein totentanz-gerecht geschminktes Gesicht und, als einzige, ein Brautkleid an. „Am letzten irdischen Tag würde ich heiraten“, sagt sie, „die Zeremonie stelle ich mir so schön vor.“ Doch Kandels dämpft die Euphorie: „Eigentlich muss die Braut noch gruseliger aussehen!“ Die Schüler quittieren das mit glucksendem Lachen.

Seit 2011 begleitet Susanne Stangl solche Schülerprojekte. Besondere Freude bereitet ihr dabei „das Vermitteln von Theaterfieber“. Sie sagt: „Theater ist, wie Türen zu neuen Räumen aufstoßen und diese entdecken.“ Die notwendige Mischung aus Chaos und Disziplin mache auf diese Weise nur die Kunst möglich, was durchaus eine Lektion fürs Leben sei, so Stangl weiter.

Der Elan der Akteure jedenfalls ist spür- und erlebbar. Dazu trägt nicht zuletzt Conferencier Tina Senftleben bei, die das Publikum durch „das magische Fest“ führt und „den Vorhang vom Diesseits zum Jenseits“ lüftet, so dass „Tote und Götter auf der Erde weilen“. Immerhin: Ein Hauch klassisches Theater durchweht das jugendliche Spiel, das fantasie- und liebevoller kaum gestaltet sein könnte.