Stadtgeschichte: Pioniergeist und Handarbeit

Die Grenzweg-Siedlung wurde vor 75 Jahren entlang der Niers gegründet.

Viersen. Es war ein wenig wie im Wilden Westen: Als kleine Handwerker 1933 im Rahmen des Reichsheimstättengesetzes im Bruchland zwischen Viersen und Neersen günstig Land erwerben und sich ein äußerst bescheidenes Häuschen darauf bauen konnten, begann die Geschichte des Grenzweges. Noch gab es weder fließend Wasser noch Strom, aber die Grenzweg-Geschichte sollte eine Erfolgsgeschichte werden.

Am Sonntag, den 20. Juli, wird das 75-jährige Jubiläum mit geladenen Gästen im Schützenzelt groß gefeiert. Monika Killmann geborene Meskes ist 56 Jahre alt. Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie am Grenzweg. Ihre Großeltern, Peter und Änne Mertens, gehörten vor 75 Jahren zu den ersten Siedlern auf der Südseite des Grenzweges-das ist die Seite, auf der 1935 die kleine Kapelle errichtet wurde. Peter Mertens arbeitete tagsüber in der Fabrik als Former.

Die 2000 Quadratmeter großen Grundstücke dienten bis auf den letzten Quadratmeter als Nutzgarten. Die Männer, die tagsüber in den Fabriken schufteten, betrieben in ihrer Freizeit in bescheidenem Maße Ackerbau und Viehzucht. Gemüsebeete, Obstbäume, Hühner, meistens noch ein Schaf oder ein Schwein trugen wesentlich zur Ernährung der Familien bei.

Bemerkenswert: Die Niers verlief zunächst hinter den Grundstücken und sie teilte sogar die sechs Morgen Land, die den Siedlern auf der Nordseite reichten, um eine Vollexistenz aufzubauen. Aber noch in den 30er Jahren wurde die Niers im Bereich des Grenzwegs "umgebettet" - in Handarbeit, versteht sich. Das geschah zu einer Zeit, als es noch kein fließendes Wasser gab - Frischwasser wurde im Tankwagen angeliefert.

Als der Grenzweg 1940 zu Neersen kam, änderte das nichts daran, dass sich die Bewohner weiterhin stärker nach Viersen orientierten. Es ging langsam bergauf mit der Siedlung weitab der Ortszentren: Es gab bald Strom und Wasser, 1953 wurde ein Raum für die Aktivitäten der Bewohner vom Grenzweg an die Kapelle angebaut. Unweit der Kapelle hatte sich bis in die 60er Jahre hinein ein Tante-Emma-Laden halten können, der 1938 eröffnet worden war.

1964 war der Grenzweg asphaltiert worden, bereits drei Jahre zuvor waren die Pappelreihen entlang des neuen Niersufers gefällt worden. Die einfachen Siedlungshäuschen, in Nachbarschaftshilfe erbaut, wurden erweitert und modernisiert, dazwischen passten noch Neubauten, die jedoch den einheitlichen Siedlungscharakter zerstört haben. Unkaputtbar ist dagegen das Zusammengehörigkeitsgefühl der Siedler vom Grenzweg.

So bildeten sich ein eigener St. Martinsverein, eine Sterbekasse, ein Gesangsverein und ein Karnevalsumzug. Die Infrastruktur besteht heute im Wesentlichen aus zwei Zigarettenautomaten und einem Briefkasten - trotzdem leben die Menschen gern am Grenzweg: "Die Enkel der ursprünglichen Siedler kehren zunehmend zurück zum Grenzweg", stellt Monika Killmann fest.