„Das Kibiz macht uns kaputt“

Leiter von Kindergärten halten es für schwierig, Zweijährigen einen Kindergartenplatz zuzusichern.

Willich/Tönisvorst. Wenig hat das Erziehungspersonal von Kindergärten und Tagesstätten jemals so auf die Barrikaden gebracht wie das nun beschlossene neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz). Ob Demo vor dem Landtag oder Protestaktionen in den Einrichtungen selbst - viele Betroffene sehen eine Personalverringerung aufgrund von geplanten Pro-Kopf-Pauschalen für unausweichlich. Neu im Gesetzesentwurf: Zweijährige haben ab 2010 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Wie denken Einrichtungsleiter in Willich und Tönisvorst über Kibiz?

"Die Plätze für die Zweijährigen werden eine Menge Geld kosten", sagt Klaus Rölkes, Leiter des DRK-Kindergartens in St. Tönis, und begründet: "Kinder unter drei Jahren brauchen nämlich eine viel intensivere Betreuung als ältere Kinder." Dennoch kämen Anfragen auf Plätze für die ganz Kleinen häufig. Für unrealistisch hält Stefanie Tauber, Leiterin der St. Töniser Kindertagesstätte Biberburg, den Plan der Landesregierung, Zweijährigen einen Platz zu garantieren. "Vor nicht langer Zeit sind noch Gruppen geschlossen worden, weil zu wenig Dreijährige darin waren. Und jetzt will man sogar noch die Zweijährigen in die Gruppen kriegen? Das ist ein Widerspruch."

Als "schwer umsetzbar" betrachtet auch Melanie Gerdenitz, Leiterin des Anrather "Kiga 84", den Rechtsanspruch. "Momentan werden knapp 20 Prozent aller Zweijährigen betreut. Insofern kann ich mir Plätze für 100 Prozent nur schwer vorstellen." Zudem, so vermutet sie, "werden ja auch keine zusätzlichen Gruppen eröffnet. Die Zweijährigen stoßen einfach nur dazu." Rebekka Telin vom "Li-La-Laune-Haus" in Willich findet zusätzliche Kita-Plätze für Zweijährige "wünschenswert". Bedenken hat sie allerdings auf personeller Seite. "Momentan betreuen wir zu dritt 18 Kinder. Wenn dann noch die Kleineren hinzukämen, hätten wir wohl personelle Probleme."

Für das Inkrafttreten von Kibiz am 1. August 2008 wählt die Erzieherin klare Worte. "Dann gehen wir kaputt. Aufgrund der Staffelung der buchbaren Betreuungszeiten können wir unseren Erzieherinnen nur noch Jahresverträge anbieten." Melanie Gerdenitz befürchtet zudem, dass sich manche Eltern nur aufgrund ihrer finanziellen Situation für die kürzeste Betreuungszeit von 25 Wochenstunden entscheiden könnten. "Die Eltern holen ihre Kinder dann schon zum Mittagessen ab, weil das günstiger ist." Aufgrund der Personalsituation würde unter Kibiz auch die erzieherische Qualität abnehmen.

Finanzierung Zuschüsse für Kindergärten und Tagesstätten werden an die Zahl der betreuten Kinder gekoppelt. Kleinere Einrichtungen beziehen somit weniger Geld als größere.

Personal Die Anzahl des Personals hängt mit den jährlichen Anmeldezahlen zusammen. Konstanz besteht somit nicht.

Betreuung Eltern können ihre Kinder 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche betreuen lassen. Die Betreuungszeiten können monatlich geändert werden.

Inkrafttreten 1. August 2008

Die Betreuung von unter Dreijährigen in den Blick zu nehmen, ist generell begrüßenswert. Doch alle Zweijährigen mit Bedarf für einen Platz in den ohnehin vollen Kindergärten in NRW unterzubringen, ist vermutlich schwer umsetzbar. Ob nun mit oder ohne Zweijährige: Die Leidtragenden unter Kibiz werden die Kinder sein. Können Kräfte wie Jahrespraktikanten nicht mehr finanziert werden, degeneriert die Kinderbetreuung zur bloßen Aufbewahrung. Erschreckend ist auch eine andere Vorstellung: Eltern buchen für ihre Kinder nur deshalb die geringste Betreuungszeit von 25 Wochenstunden, weil ihnen eine längere Betreuungszeit schlichtweg zu teuer ist.