Galgen am Schwarzen Pfuhl
Über das Gerichtswesen in alter Zeit konnten die Besucher eines Vortrags im „Kamps Pitter“ viele Details erfahren.
Schiefbahn. War früher alles besser? Bestimmt nicht. Vor allem, wenn man sich das Gerichtswesen von einst anschaut. Der Schiefbahner Rechtsanwalt Helmut Fellinger hatte jetzt im Kamps Pitter Interessantes und aus heutiger Sicht Schockierendes zu berichten. Vorstehende Zähne und eine hagere Gestalt konnten zu einem Todesurteil führen.
Helmut Fellinger beleuchtete unter anderem das furchtbare Schicksal von Grietgen Haaks, nach der in Niederheide eine Straße benannt worden ist (Foto). Nachdem im Mittelalter einige rational nicht zu begründende Dinge geschehen waren, wurde der Vogt zu Liedberg gerufen, Grietgen Haaks wurde nach den Bestimmungen des „Hexenhammers“ zum Tod durch Verbrennen verurteilt — das Urteil wurde 1629 in Uerdingen vollstreckt.
Bei den Germanen, so erfuhren die Zuhörer, musste ein Beschuldigter reagieren: „Er musste die Vorwürfe vehement abstreiten und zum Gegenangriff übergehen“, erklärte Fellinger. Und weiter: „Die Ehre war für die Germanen das Höchste. Gelassenheit galt als Feigheit.“ Kein Wunder, dass sich aus dieser Geisteshaltung heraus der „germanische Ehrenzweikampf“ entwickelte. Juristen gab es damals noch nicht, auch keine Gesetzbücher. Dafür Stammeshäuptlinge, die richterliche Aufgaben übernahmen oder auf Stammesangehörige übertrugen.
Unter Karl, dem Große, wurde im frühen 9. Jahrhundert ein Gerichtswesen ausgebaut; Schöffen sprachen in so genannten Dingstühlen Recht. Das Christentum hatte mittlerweile Einzug gehalten, aber wer nun glaubt, dass dies mit einer Humanisierung des Gerichtswesens einherging, liegt total verkehrt: Wer einen Zweikampf gewann, bewies damit, dass er im Recht war — Gott hätte ihm sonst nicht diese Stärke verliehen.
Wer öffentliches Ärgernis erregt hatte, wurde zur Strafe an den Pranger gestellt. Dass es solch einen Pranger auch in Schiefbahn gab, konnte Fellinger nicht bestätigen. Das Gericht tagte unter einer Linde in Anrath und später auch in Schiefbahn. Die Verurteilten wurden dem Vogt übergeben, am Schwarzen Pfuhl stand der Galgen.
Ende des 16. Jahrhunderts gab es ein Dingstuhlgericht in Schiefbahn. Schöffe konnte nur ein Hofbesitzer werden, der Sürderhof beispielsweise war über Generationen hinweg ein Hof, der mit dem Schöffenamt eng verbunden war.
„In der Franzosenzeit“, so Fellinger, „wurden die Dingstühle durch Friedensgerichte ersetzt, für Schiefbahn war es in Mönchengladbach zuständig“. Als Ende des 19. Jahrhunderts die preußische Zeit begann, dauerte es nicht mehr lange, bis Gesetzeswerke wie das Bürgerliche Gesetzbuch oder das Strafgesetzbuch erlassen wurden.