Gefängnis Anrath: Im Knast schon fast zuhause

Beate Wüstenbecker hat die Leitung der JVA in Anrath übernommen.

<strong>Anrath. In ihrem Büro riecht es noch nach Farbe. Die Möbel hat sie von ihrer Vorgängerin übernommen, das Knollenmännchen von Loriot im Regal selbst mitgebracht. Ansonsten ist Beate Wüstenbecker noch nicht so ganz in ihr neues Büro im Anrather Männergefängnis eingezogen. "Hier fehlen noch die Bilder an den Wänden", bekennt die neue Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) WillichI, wie das Gefängnis offiziell heißt.

In den Vollzugsdienst eher zufällig gekommen

Am 1.April hat Beate Wüstenbecker die Nachfolge von Katja Grafweg angetreten. Im Vollzugsdienst arbeitet die Juristin bereits seit 1993. "Ich bin da eher zufällig hingekommen", erinnert sie sich. Auf der Suche nach einem juristischen Beruf, der viel mit Menschen zu tun hat, machte ihr ein Personalberater den höheren Vollzugsdienst schmackhaft - "und dann bin ich ins kalte Wasser gesprungen". Bis zu diesem Zeitpunkt war sie noch nie in einem Gefängnis gewesen. Das hat sich mittlerweile geändert. Stationen ihrer beruflichen Laufbahn führten Beate Wüstenbecker unter anderem für fünf Jahre als Abteilungsleiterin in die JVA Werl. Danach war sie Chefin des Justizvollzugskrankenhauses NRW und zuletzt Leiterin der JVA Duisburg-Hamborn. Eine Anstalt mit vergleichbarer Größe wie Willich, aber überwiegend mit U-Häftlingen besetzt. Folgerichtig geht nun ihr beruflicher Weg in ein "normales" Gefängnis. Wobei dies erneut ein Sprung ins kalte Wasser ist: "Als ich mich auf die Ausschreibung beworben habe, kannte ich Anrath noch nicht." In der Kaiserlichen Anstalt fühlt sich die 44-Jährige "wie zuhause": Das alte Gebäude erinnere sie an Werl, wo in Kürze 100-jähriges Bestehen gefeiert wird. Ansonsten hatte Wüstenbecker von der JVA Willich schon viel gehört - und was sie da hörte, klang nicht schlecht. "Die Anstalt ist gut aufgestellt, hat mit den Abteilungen für Sozialtherapie und Drogenaussteiger ein hohes Behandlungsniveau." Das sei besonders wichtig: "Die Mauern sind das Eine, die Resozialisierung bleibt aber das erste Ziel."

Apropos Mauer: Die wird wegen ihrer Höhe von vielen Anrathern kritisiert. Beate Wüstenbecker verteidigt sie, denn sie entspreche dem heutigen Sicherheitsstandard. Und anders als befürchtet, werde damit kein Hochsicherheitsgefängnis für besonders gefährliche Kriminelle geschaffen: "An den Zuständigkeiten ändert sich nichts."

Die neue Leiterin will sich jetzt in Ruhe anschauen, wo es etwas zu verbessern gibt - und ist bereits fündig geworden: "Wir müssen vernünftige Arbeitsbetriebe bekommen." Die alten Gebäude seien in einem "ärmlichen Zustand". Überhaupt wünscht sie sich mehr Arbeitsmöglichkeiten für die Häftlinge: "Nur 65 Prozent können bisher beschäftigt werden."

Räumliche Verbesserungen wird es durch den Neubau des benachbarten Frauengefängnisses geben: Beide Häuser bekommen eine gemeinsame Pforte, die Verwaltung des Männerhauses wird in einem Anbau untergebracht. Und auch die Küche ("dort herrschen unhaltbare Zustände") zieht in den Neubau. Ende des Jahres ist alles fertig.

Keine Verbesserungen sind für die rund 150 Beschäftigten in Sicht: Mit mehr Personal sei nicht zu rechnen, obwohl schon heute ein Kollege für 45 Gefangene zuständig sei. Im Schnitt komme jeder Mitarbeiter im Vollzugsdienst auf 165 Überstunden.