Die Willicher Grünen haben am Samstag im Seminarhaus Lichthof sich – und ihre vom Wahlkampfteam vorgeschlagene Bürgermeisterkandidatin Claudia Poetsch gefeiert. Nach dem Ende der Koalition in Berlin waren sie nicht in eine Schockstarre verfallen, sondern hatten Mitglieder hinzugewonnen. Jetzt präsentierten sie sich voller Optimismus. Neben der Bürgermeisterkandidatin schlug das Wahlkampfteam unter anderem die Direktkandidatinnen und -kandidaten für die Wahlkreise vor. Die finale Wahl der Kandidaten findet am 17. Mai in einer Mitgliederversammlung statt.
Für jeden der 24 Wahlkreise im Stadtgebiet haben die Grünen jeweils eine Kandidatin beziehungsweise einen Kandidaten gefunden. Wer von ihnen nicht die meisten Stimmen in einem Wahlkreis bekommt, kann es noch schaffen, über die Liste in den nächsten Stadtrat einzuziehen. Ganz oben auf der Liste steht die Parteivorsitzende Claudia Poetsch, gefolgt auf Platz zwei vom aktuellen Fraktionsvorsitzenden Christian Winterbach.
Platz drei belegt Julia Praetor, auf Platz vier der Liste steht Paul Muschiol, die Plätze fünf und sechs belegen Agnes Ortmanns und das Grünen-Urgestein Hagen Becker. In der noch laufenden Ratsperiode stellen die Grünen zwölf Ratsmitglieder.
Claudia Poetsch war bereits bei den Kommunalwahlen im Herbst 2020 die Bürgermeisterkandidatin der Grünen. Gewählt worden war damals Christian Pakusch von der CDU. Dietmar Winkels war der Kandidat der SPD. Die Co-Vorsitzende der Grünen, Sabrina Keil, damals neu in der Partei, erklärte Folgendes: „Sie hatte mich 2020 überzeugt und ich habe es nie bereut, ihr meine Stimme zu geben.“ Und: „Dein Herz schlägt für alle Menschen“, sagte sie der 61-jährigen Kandidatin.
Die alte und neue Bürgermeisterkandidatin stellte sich noch einmal vor. Sie lebt seit 25 Jahren in Anrath, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Interessant ist ihr beruflicher Werdegang: Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau absolvierte sie ein Studium an der Fachhochschule des Bundes. Die Diplom-Verwaltungswirtin arbeitete bei der Bundesanstalt für Arbeit. 1991 wechselte sie zur Stadt Kaarst, war dort in verantwortungsvollen Positionen. Seit sieben Jahren ist sie im Landesministerium des Innern tätig.
In den Wahlkampf geht die 61-Jährige mit zehn Botschaften. Dabei ist ihr wichtig, nicht mehr zu versprechen, als sie später als Bürgermeisterin halten könnte. Sie steht unter anderem für flexible On-demand-Shuttles als Ergänzung zum Öffentlichen Personennahverkehr, bei den Sportstätten ist sie für Sanierung und gegen Neubauten, die bestehenden Gewerbegebiete müssten effizienter genutzt werden, die Fachkräftesicherung möchte sie durch gezielte Bildungsförderung schaffen. Mehr Treffpunkte und Freizeitangebote für Jugendliche und sichere Fußgänger- und Radwege stehen auf ihrem Wunschzettel.
Es gibt aber auch Forderungen, die für Grünen-Politiker eher ungewöhnlich sind. Unter der Überschrift „Keine Freiheit ohne Sicherheit“ geht es um die Sauberkeit und Ordnung in allen Stadtteilen, eine erhöhte Polizeipräsenz in problematischen Bereichen und „gezielte, temporäre Videoüberwachung an relevanten Orten“. Poetsch möchte in den Zentren mehr Aufenthaltsqualität zur Belebung des Einzelhandels. Der individuelle dörfliche Charakter der Ortsteile müsse gewahrt werden.
Als Chefin des Rathauses würde die 61-Jährige sich für mehr Bürgerservice, mobile Dienstleistungen, für die Einrichtung einer Abteilung zur Bekämpfung von Einsamkeit und für den Verzicht auf teure Prestigeobjekte zugunsten einer soliden Haushaltsführung starkmachen. Klimapolitik ist für sie auch Sozialpolitik. Die junge Generation müsse stärker in Entscheidungen einbezogen werden. Merlin Praetor beschrieb Poetsch als „unheimlich robust und zäh“. Sie lobte das gute Klima in der Partei. „Bei uns gibt es selten Streit.“ Als sie mit ihrer Antrittsrede als Bürgermeisterkandidatin fertig war, schien der Applaus kein Ende nehmen zu wollen.