Neersen: Aus dem Tagebuch eines Snobs und Ästheten

Lesung: Über 100 Zuhörer drängten sich im Innenhof des Schlosses, wo Texte von Oscar Wilde gelesen wurden.

Neersen. Er ist die Klammer der gesamten Spielzeit. Die Festspiele in Neersen haben mit Oscar Wildes Gespenst von Canterville begonnen. Und jetzt, da es auf das Ende zugeht, wird wieder Wilde gespielt. Genauer gesagt, gelesen. Susanne Flury hat die Lesung "Oscar Wilde - Der Dandy, der Schöngeist, der Sarkast" zusammengestellt und auch ihm eine Klammer gegeben: Anfang, Ende und viele Unterbrechungen bilden die unzähligen Aphorismen Wildes, die inzwischen vor allem auf Postkarten zu finden sind.

Der Abend - im Regenschauer begonnen - ist auch ein Wiedersehen mit Susanne Flury. Die Schauspielerin, die zum festen Inventar der Festspiele Neersen gehört, stellt den fast 100 Gästen, die sich im Innenhof des Vorwerks drängen, den Autor kurz vor. Er sei ein Snob, Ästhet, Dandy, Aphoristiker und Ästhet. Ausgedrückt hat er diese Lebensart unter anderem in seinem Bildnis des Dorian Grey.

Doch seine Erzählungen, die Flury, Heinz-Hermann Hoff und Wolf-Guido Grasenick lesen, sind so gar nicht hedonistisch, zynisch und unmoralisch. Vielmehr sind es märchenhafte kurze Stücke, wie das von der Nachtigall, die eine Nacht lang singt und schließlich ihr Leben opfert, um einem jungen Studenten seine Liebe zu ermöglichen.

Oder die von einer Schwalbe, die die Armen einer Stadt mit Edelsteinen und Gold versorgt. Wildes Geschichten sind moralisch und gläubig, aber auch melancholisch und tragisch: Am Ende sterben die Nachtigall und die Schwalbe. Die gute Tat wird nicht belohnt, Kapitalismus und die Konventionen der Gesellschaft missachten das Schöne und Gute.

So sind die Erzählungen Wildes auch Ausdruck seiner Erfahrungen: Er, der hoch geachtete und beliebte Autor der Londoner Gesellschaft. Der Homosexuelle, der für seine Neigung zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wird. Er schreibt Gnadengesuche an Freunde und den Innenminister.

"Sexuelle Verirrung ist eine Krankheit, kein Verbrechen", so seine Zeilen, die die drei Schauspieler vorlesen. Er habe seine Frau und Kinder ins Elend gestürzt und seinen Namen für immer getilgt aus dem Buch der Literatur Englands, schreibt er aus der Einzelhaft.

Soweit ist es nicht gekommen. Von Oscar Wilde haben nicht nur die Aphorismen überlebt, sondern auch die Erzählungen, Romane und Bühnenstücke, die die Schlossfestspiele 2008 mitgeprägt haben.

Nächster Termin der Gartenlesung Oscar Wilde: 10. August, 17 Uhr, Innenhof Schloss Neersen. Der Eintritt ist kostenlos.