Neersen: Hin- und mitreißender Swing

Zum Auftakt des Jazz-Herbstes begeistern zwei Sängerinnen im ausverkauften Schlosskeller.

Neersen. "Die könnten meine Kinder, ich ihre Mutter oder Großmutter sein", scherzte Sheila Jordan am Auftaktabend zum neuen "Jazz-Herbst Willich". Sie gastierte mit Sabine Kühlich, Stefan Michalke am Klavier und Stefan Werni am Bass im Keller von Schloss Neersen, wo zum letzten Mal der Jazz zu seinem Recht kam, ehe die "Motte" im 2. Stock zur neuen Spielstätte wird.

"Two generations of singers" - so lautete das Motto dieses Auftaktabends zu der kleinen, ambitionierten Reihe, die in diesem Jahr im Zeichen des Swing steht. Mit der New Yorkerin Sheila Jordan, die seit Jahrzehnten die Jazzszene bereichert, und der Kölnerin Sabine Kühlich (35) haben sich zwei Sängerinnen der Extraklasse zusammen gefunden. Sie absolvieren bereits ihre vierte gemeinsame Tournee. Altersmäßig liegen sie weit auseinander: Jordan wird im November 80 Jahre alt, aber sie passen dennoch ganz hervorragend zusammen.

Und sie haben eine locker-flockige Art zu moderieren, sich gegenseitig die verbalen Bälle zuzuwerfen und das Publikum so über Stunden munter zu unterhalten. Wenn sie scatten, den guten alten Bebop auferstehen lassen und Erinnerungen an vergangene Jazzzeiten beschwören, lauscht das Publikum im restlos ausverkauften Schlosskeller hingerissen. Es beweist damit, dass besonders die leisen Töne und die bluesigen Stücke den Nerv der Jazzfreunde treffen.

Mit "I got rhythm", einem Jazzstandard, begann das Programm, das auch geprägt war durch eigenwillige Eigenkompositionen von Sabine Kühlich, die komponiert und textet. An diesem Abend singt sie nicht nur, sondern pfeift auch und spielt Saxophon. Das alles souverän und in beachtlicher Qualität. Dass sie eine erstklassige und kreative Interpretin ist, wurde ihr in diesem Jahr bereits offiziell bestätigt: Sie gewann die "Shure Montreux Jazz Voice Competition", einen Wettbewerb der besten Jazzstimmen.

Jazz-Herbst-Organisator Edi Grötzinger hatte die beiden Damen bei der Düsseldorfer Jazzrally erlebt und spontan nach Willich eingeladen, ein echter Glücksgriff. Umwerfend, wie die beiden ihr Programm gestalten: Sheila Jordan versteht es, in ihren Liedern Geschichten zu erzählen: sehr lebendig und authentisch. Sie berichtet aus ihren Auftritten mit den Jazzgrößen längst vergangener Tage, schildert singend ihren eigenen Lebenslauf.

Ihr steht die junge Sabine Kühlich nicht nach: Kennen gelernt hatten sich die beiden Solistinnen, als Kühlich ein Stipendiat an einer New Yorker Jazzakademie hatte. Sehr bald entdeckten sie ihre musikalischen Gemeinsamkeiten und sind seitdem auf ihren Tourneen sehr erfolgreich.