Klinik-Prozess mit Aussetzern

Der Zeugenmarathon vor dem Gladbacher Landgericht ist geprägt von Erinnerungslücken.

Mönchengladbach. Der Prozess gegen den ehemaligen Chefarzt der Wegberger St. Antoniusklinik ist ein wahrer Zeugenmarathon. Dabei zeichnete sich der Prozesstag am Donnerstag durch viele Erinnerungslücken aus.

Der leitende OP-Pfleger Wolfgang E. (56) konnte sich zwar sehr genau erinnern, dass das Krankenhaus vor Dr. Pier mit wirtschaftlichen Problemen dagestanden habe, dass mit dem neuen Chefarzt dann das Durchschnittsalter der Operierten "stark nach oben" gegangen sei, auch die Schwere der Operationen habe deutlich zugenommen.

Beim Thema Zitronensaft und Medikamente verließ ihn dann aber seine Erinnerung. Dass man den in den Bauchraum gespritzt habe, könne er nicht sagen. Nur an Desinfektion von Wundrändern erinnere er sich. Und die Medikation zu beurteilen, dafür sei er als reiner OP-Pfleger "zu sehr Fachidiot".

Ob es Margarete W. gewesen sei, eines der Opfer, für die er die Instrumente zur Intensivstation gebracht habe, weil dort operiert werden musste, wisse er auch nicht mehr. "Bei so vielen Operationen kann ich nach langer Zeit nicht mehr Namen und Operation zusammenbringen."

Ähnlich auch die Aussage seiner Kollegin Heidi B. (46). Allerdings erinnert sie sich daran, dass die Zitronensaft-Kompressen mit den Verbänden an den Körper, meist bei Unterschenkel-Geschwüren, gewickelt wurden. Richter Lothar Beckers musste ihr erst das OP-Buch zeigen, in das sie selbst verschiedene Operationen eingetragen hatte, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.

Dr. Harald W., Piers Vorgänger als Chefarzt in Wegberg, erinnert sich an eine medizinische Meinungsverschiedenheit mit Pier, der damals Berater war. "Ich war in Urlaub, er hatte bei einem Patienten mit Pneumothorax keine Drainage gelegt." Das habe er dann am nächsten Tag getan. "Ich war der festen Überzeugung, dass das so sein muss nach den Regeln der Kunst."

Ein völliger Blackout in Sachen Erinnerung war der frühere Assistenzarzt Sascha K. (36). Obwohl er laut OP-Buch an der Operation an Margarete W. mitgewirkt hatte, konnte er mit Namen und Sachverhalt nichts anfangen. Wohl aber mit Zitronensaft: "Da war ein Mann mit einem Unterschenkelgeschwür, bei dem das gut angeschlagen hat, er war sehr zufrieden hinterher."

Wirklich auf die Palme trieb den Richter aber die Anästhesistin Gisela T. (54), die nach ihrer Aussage bei der Polizei im Jahr 2007 von erheblicher Vergesslichkeit befallen worden war. Ihr Standardsatz: "Ich meine mich erinnern zu können, aber es könnte auch sein, dass ich es nur irgendwo gehört habe." Richter Beckers hielt ihr immer wieder ihre Aussagen bei der Polizei vor, aber sie beharrte auf ihren Erinnerungslücken.

Mit Spannung erwartet worden war Jutta W. Die Krankenschwester soll die anonyme Anzeige gegen Pier ins Rollen gebracht haben. Sie hat nun Angst, ist sogar aus ihrer Wohnung unbekannt verzogen.

Ein Zeugenschutzprogramm sei das aber nicht, stellte Oberstaatsanwalt Lothar Gathen fest. Zu der Frage, ob sie die Anzeigende sei, schweigt Jutta W. und lässt sich anwaltlich vertreten. Der Prozess wird am 26. November fortgesetzt.