Bürgerversammlung: Fernwärme dank Tomaten?
In Neurath soll ein neuer Gewächshauspark entstehen, den das Kraftwerk heizt.
Grevenbroich. Weil Treibhaustomaten und -paprika viel Wärme brauchen, um zu gedeihen, werden die Neurather vielleicht endlich ans Fernwärme-Netz der RWE angeschlossen. Denn südlich des Neurather Kraftwerks soll auf 33Hektar ein Gewächshauspark names "Gardenland" entstehen. RWE soll die Gemüsebauern per Kraft-Wärme-Kopplung mit der nötigen Wärme versorgen.
Wenn das Gemüse Fernwärme bekommt, warum dann nicht auch der Stadtteil, fragten Neurather, als das Projekt am Mittwochabend im Haus Neurath vorgestellt wurde. Denn im Stadtteil gibt es noch nicht einmal Gasleitungen, sodass die Neurather mit Öl heizen müssen. In der Fernwärme sehen viele eine billigere Alternative.
RWE-Kraftwerkschef Eberhard Uhlig hatte offensichtlich mit diesem Thema gerechnet. Er verwies auf eine knapp drei Jahre zurückliegende Bürgerbefragung. Damals, sagte er, hätten sich nicht genug Interessenten für Fernwärme gefunden, sodass eine Fernwärmeversorgung des Stadtteils für den Stromerzeuger unwirtschaftlich gewesen wäre. Uhlig schlug aber vor, zusammen mit der Stadt und den Gas- und Wasserwerken Grevenbroich (GWG) eine erneute Befragung zu starten. "Wenn wir es wirtschaftlich darstellen können, gehen wir diesen Weg", sagte er. Das heißt: Wenn sich genug Hausbesitzer für Fernwärme aussprechen und es sich für RWE lohnt, könnten Leitungen gelegt werden.
Bürgermeister Axel Prümm schrieb schnell eine Liste, die er herumgehen ließ. Mehrere Neurather trugen sich ein, die bei der Befragung helfen und dafür sorgen wollen, dass möglichst viele antworten.
Ein Bürger forderte, dass RWE die Fernwärme zum Selbstkostenpreis abgeben solle: "Ihr Unternehmen muss sich nicht immer eine goldene Nase verdienen." Dem erteilte Uhlig eine Absage, schließlich müsse eine eventuelle Millioneninvestition für die Wärmeleitungen wieder reinkommen: "Wir sind ein Unternehmen und keine Sozialeinrichtung."
Über die Fernwärme-Diskussion geriet das eigentliche Thema, der Gewächshauspark, zeitweise fast in Vergessenheit. Doch auch die Gemüsebauern und Gärtner, die mit ihren Betrieben vom Niederrhein nach Neurath übersiedeln wollen, lockt die billige Wärme des Kraftwerks. Willi Fitzen, Vorstand des Gemüsevermarkters Landgard, erklärt warum: "Um ein Kilo Tomaten herzustellen, braucht man einen Liter Öl. Doch die gleiche Menge Fernwärme kostet nur etwa die Hälfte des Öls." Das sei ein schlagendes Argument in einer Branche, in der die Heiz-Energie die Hälfte der Kosten ausmache. Vier bis fünf Betriebe sollen sich in Neurath ansiedeln. Fitzen verspricht darüber hinaus rund 100 Arbeitsplätze im Gardenland.