Neuss: Eine Groteske aus Lust und Mord
Premiere: Das Landestheater zeigt „Verbrechen und Leidenschaft“ der Shakespeare-Zeitgenossen Middleton und Rowley.
Neuss. Anders als Romeo und Julia müssen Alsemero und Beatrice sich ihre Liebe nicht in aller Heimlichkeit versprechen. Aber bereits im Tanz und Taumel der Hochzeitsfeier verliert Beatrice die Kontrolle über ein mörderisches Spiel, das sie, getrieben von Gier und Leidenschaft, mit zu hohem Einsatz gespielt hat.
So kommt es, dass sie den Geliebten in der Hochzeitsnacht einer Anderen überlassen muss und Mord und Lust abermals Mordlust gebären.
Gewalt und Romantik sind in "Verbrechen und Leidenschaft" der Shakespeare-Zeitgenossen Thomas Middleton und William Rowley, das am Freitag im Rheinischen Landestheater (RLT) umjubelte Premiere feierte, untrennbar verquickt.
Beinahe das gesamte Ensemble hat Barry Goldman für seine Inszenierung dieses englischen Klassikers mobilisiert. Dabei ist Hans-Peter Deppe für den erkrankten Hannes Schäfer in der Rolle des Vermandero für diesen Abend eingesprungen.
Gemeinsam ist allen Darstellern ein auf unterhaltsame Weise außergewöhnlich modernes und kurzweiliges Schauspiel gelungen. Dabei ist Middletons und Rowleys Stück, das im Original "Der Wechselbalg" (The Changeling) heißt, ähnlich den Dramen William Shakespeares raffiniert verwoben und leidenschaftlich romantisch, jedoch deutlich derber und witziger.
Auch vor boshafter Ironie schreckt es nicht zurück - Middleton gilt vielen als "Shakespeares böser Cousin".
Diese Weltsicht bündelt sich in den beiden Hauptfiguren: der kapriziösen Beatrice-Juana, reizvoll dargestellt von Tini Prüfert, und dem geschundenen De Flores, verschlagen gespielt von Martin Skoda.
Letzterer erinnert mit seiner entstellenden Maske von vernarbter Haut - deren Wirkung durch ein quer über Gesicht und Mund gespanntes Band noch verstärkt wird - an Darstellungen des "Glöckners von Notre Dame". Ebenso morbiden wie fantasievollen Charme entfalten das Bühnenbild und die aufwändig gestalteten Kostüme von Gesine Kuhn.
Vollends zur Frankensteinschen Groteske wird das Spiel im wilden Hochzeitstanz der Irren und Idioten aus der Anstalt des Nervenarztes Ailibius (Hermann Große-Berg), seinen Faktotums Lollio (Aurel von Arx) und seiner liebestollen Frau Isabella (Vera Kasimir).
Angespornt wird die Szene dabei durch die facettenreiche Musik von Walter Kiesbauer. So verwandelt sich die anfänglich lustvolle Romanze von Szene zu Szene auf kurzweilige Weise in ein bluttriefendes Schauerspiel voll tiefschwarzen britischen Humors.
Die nächste Vorstellung in Neuss ist am Samstag, 17. Mai, 20 Uhr.