Rhein-Kreis Neuss. Der kleine Ritter reicht dem Papa kaum bis zur Hüfte, aber das Holzschwert schwingt er fast wie ein Großer. Dabei ist er erst seit einigen Minuten stolzer Eigentümer der Waffe. Die Schwester will auch etwas haben - kein Ritterzubehör, sondern einen hübschen geflochtenen Kranz. "Jetzt seh ich aus wie eine Prinzessin", sagt sie.
Das Renaissancefest verwandelt von Himmelfahrt bis gestern den Schlosspark Dyck in Märchenland. Die grüne Wiese im Eingangsbereich verschwindet unter einem Zeltlager. Es duftet nach Holzkohle, an allen Ecken weben oder sticken altertümlich gewandete Menschen.
Auf der Schwarznusswiese geht es eher martialisch zu. Im Zwei-Stunden-Takt liefern sich Wilhelm von Lülich und Adolf von Neuenahr Kämpfe. "Schließlich sollen die Besucher etwas zu sehen bekommen", erzählt Michael Roth, der Gesandte des Kaisers, Michael von Falkenberg.
Er ist auch Bauer oder Turnierherold in der Düsseldorfer Schaukampfgruppe "Communitas lupus". "Bei unseren Auftritten legen wir Wert darauf, dass Geschehnisse aus der Umgebung nachgespielt werden", sagt Roth. Diesmal ist es unter anderem die Eroberung von Bedburg durch den Grafen Salm.
Ein Zeltlager weiter geht es erheblich friedlicher zu. Zwei junge Frauen weben farbige Bänder. "Retho Sindon" nennt sich die Gruppe, übersetzt "die auf dem rechten Wege reisen": eine fahrende Handwerker- und Händlergruppe. Einen kleinen Streichelzoo haben sie auch dabei, damit die Kinder einmal Wildschwein, Marder und andere Wildtiere anfassen können.
Erstmals vertreten ist die Truppe "Nobiles Osnaburgensis" mit auserlesenen Kostümen. "Wir wollen demonstrieren, dass das Mittelalter keineswegs ein dunkles Zeitalter war", sagt Anke Lüttge. "Wer Geld hatte, dem ging es auch damals gut." Und da die Gruppe vornehmlich zu Geld gekommene Händler darstellt, gibt das auf der Orangeriehalbinsel aufgeschlagene Zeltlager entsprechend viel her.
Mit fünf Zeltlagern ist die Demonstration spätmittelalterlichen Lebens groß wie nie zuvor. "Wir wollen uns weiter entwickeln", beschreibt Geschäftsführer Jens Spanjer die Marschrichtung der Dycker Stiftung. Seine Strategie geht auf, denn mehr als 16 000 Gäste kamen zum Renaissancefest.
Unter ihnen auch Elisabeth Sackens, die schon zum dritten Mal hier ist. Nicht nur wegen der Gruppen, des "einfach tollen Ambientes", sondern auch, um diese oder jene Spezialität abzustauben. "Historische Senfzubereitungen oder eine so große Vielfalt an Beerenweinen findet man nämlich nur auf Mittelaltermärkten", weiß sie.