Rhein-Kreis Neuss. Der Hirsch hat keine Chance. Unerwartet taucht er vor dem Auto auf. Der Fahrer kann nicht mehr bremsen und erfasst das Rotwild. Ein Knall. Wie scharfe Speerspitzen bohrt sich das Geweih in die Windschutzscheibe. Bremsen kreischen, bevor das beinahe schrottreife Auto zum Stehen kommt. Der Hirsch wäre tot. Der Fahrer möglicherweise auch. Dabei war das Auto nur 60km/h schnell. Dass es bei diesem Unfall keine Todesopfer gab, liegt daran, dass es eine Simulation mit einem nachgebildeten Tier auf dem Verkehrsübungsplatz des ADAC in Grevenbroich war.
500 Millionen Euro kostet die Regulierung von Wildunfällen
Unter dem Titel "Wildunfälle vermeiden-aber wie?" haben der ADAC, der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) zu einer Fachtagung geladen. Straßenbaufachleute, Verkehrssicherheitsexperten, Wildbiologen und Jäger aus ganz Deutschland tauschen ihre Erfahrungen aus. "Es ist überhaupt das erste Mal, dass so eine Zusammenkunft stattfindet. Daher hoffen wir auf praktische Ergebnisse", sagt ADAC-Sprecherin Jaqueline Grünwald. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 2800 Menschen bei Wildunfällen verletzt, etwa ein Dutzend kamen ums Leben. Zudem wurden etwa 200000 Rehe, Hirsche und Wildschweine getötet. Über 500 Millionen Euro müssen zur Regulierung von Wildunfällen aufgewendet werden. Besonders tückisch: Die Monate April und Mai, wenn das Wild auf der Balz ist. "In NRW haben wir keine Todesopfer bei Wildunfällen zu beklagen", sagt Oliver Wittke, Landesverkehrsminister und Schirmherr. Dennoch gelte es, jede Möglichkeit der Unfallvermeidung auszuloten. "Ich bin gespannt, welche Ergebnisse die Tagung ergibt, wir wollen möglichst viel davon umsetzten", verspricht Wittke. "Wir müssen neue Technologien nutzen", hebt ADAC-Präsident Peter Meyer hervor. Navigationsgeräte sollten Autofahrer vor Gebieten mit einer hohen Dichte von Wildunfällen warnen. In diesem Zusammenhang wird unisono die Wildwarnanlage im Reichswald bei Emmerich gelobt: Aufleuchtende Warnschilder weisen auf verstärkte Anwesenheit von Wild hin. Nach Ansicht von DJV-Präsident Jochen Borchert sollte in Möglichkeiten investiert werden, um Wild am Queren von Straßen zu hindern. "Wildschweine und Rotwild folgen jahrhundertealten, angestammten Routen. Die Praxis zeigt, dass Grünbrücken an Wildwechseln Unfälle vermeiden." Mit Duftzäunen und bitter schmeckenden Pflanzen könnten andererseits Tiere von der Straße ferngehalten werden. Auch der Mensch sollte sich auf die Gefahr einstellen. Meyer: "Da hilft nur informieren und trainieren."