Große Krabben in Neuss gesichtet Wollhandkrabben zu Besuch in Neuss
<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 97%;">Neuss</irglyphscale></irwordspace> · Handtellergroß, die acht Beine nochmal doppelt so lang und mit Scheren, die kräftig zwicken können: Solche Kreaturen wurden jetzt zweimal in Neuss gesichtet. Wie Experten das Auftreten der großen Krabben erklären.
„Vermisst jemand seinen Krebs? Liegt bei uns vorm Haus, lebendig“ – mit dieser Nachricht wandte sich Margarete Wichmann kürzlich an ihre Whatsapp-Nachbarschaftsgruppe. Und schickte gleich ein Handy-Foto mit: von einer Krabbe, graubraun, handtellergroß, die Beine noch einmal doppelt so lang. Mit Scheren, die mutmaßlich kräftig kneifen können.
Entdeckt hatte die Krabbe Wichmanns fünfjährige Tochter, ausgerechnet an Heiligabend vor dem Küchenfenster der Familie aus Neuss-Weckhoven. „,Krebs! Krebs!‘, hat sie gerufen“, erzählt Wichmann heute. „Und dann lag da tatsächlich dieses Tier auf der Spielstraße. Es hat sich bewegt, wenn man näher gekommen ist.“ Angefasst habe sie den ungewöhnlichen Besucher nicht – nur mit einem Stöckchen angestupst. „Ich hatte schon ein bisschen Angst“, sagt Wichmann. „Das ist ja wirklich sehr ungewöhnlich, dass so etwas einfach auf der Straße sitzt.“
Dabei gehört das Krustentier zu einer Art, die in der Region häufiger auftritt – häufiger jedenfalls, als Naturschützern lieb wäre. Auf Wichmanns Foto sei die Chinesische Wollhandkrabbe zu sehen, bestätigt Gernot Göbert vom Naturschutzbund Nabu der Redaktion. Dabei handelt es sich um eine invasive Art, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Deutschland eingeschleppt wurde und sich seither vor allem in Flüssen immer weiter ausbreitet. Eine Beinspannweite von bis zu 30 Zentimetern können die Tiere erreichen, die in jedem Frühjahr zu Millionen flussaufwärts wandern und dabei einen immensen Appetit entwickeln.
Schäden richtet die Wollhandkrabbe an Deichen und Flussböschungen an, sie verdrängt heimische Arten und frisst alles, was ihr vor die Scheren kommt – zum Beispiel Fische aus Reusen und Netzen. Inzwischen steht die Wollhandkrabbe auf der Liste der 100 gefährlichsten invasiven Arten. Für den Menschen immerhin ist sie nicht gefährlich; in der chinesischen Küche gelten die Tiere sogar als Delikatesse.
Obwohl die Krabben im Wasser zuhause sind, werden sie immer wieder auch an Land gesichtet, wo ihr Auftreten dann für Schlagzeilen sorgt. Und auch in Neuss blieb es nicht bei der einen Sichtung von Heiligabend. Anwohner fotografierten ein weiteres Exemplar, offenbar etwas kleiner, am 6. Januar auf einer Wiese neben einem Spazierweg – keine 100 Meter vom ersten Krabbenfund bei Familie Wichmann entfernt.
Grundsätzlich ist das nicht überraschend, wie Kreis-Sprecher Benjamin Josephs betont: „Da die Tiere am Tag bis zu zwölf Kilometer zurücklegen und mittlerweile auch im Rhein nachgewiesen wurden, ist ein Auftreten auch im Rhein-Kreis zu erwarten.“ Bislang habe es aber erst eine Meldung aus Kleinenbroich gegeben. Von weiteren Sichtungen weiß zumindest der Rhein-Kreis Neuss nichts.
Stellt sich nur die Frage: Wie sind die beiden Krabben nach Weckhoven gekommen? Bis zum Rhein sind es schließlich einige Kilometer. „Ich könnte mir vorstellen, dass es mit der Erft zu tun hat“, sagt Denis Friesen, zweiter Vorsitzender beim Verein Neusser Angelfischer. „Denn dort sind die Tiere schon zu finden; da habe ich sie selber schon an der Angel gehabt.“
Auch der nahe Gillbach mit seinem warmem Wasser käme theoretisch als Lebensraum für die Wollhandkrabbe in Frage. Dennoch staunt Friesen über die Unternehmungslust der Flussbewohner, noch dazu im Winter. „Eigentlich ist es viel zu kalt für die Tiere.“
Bliebe noch ein weiterer Erklärungsansatz, der bereits am heiligen Abend in Margarete Wichmanns Whatsapp-Gruppe diskutiert wurde: Nach dieser sehr spekulativen Theorie stammt der achtbeinige Besucher gar nicht aus einem der umliegenden Gewässer – sondern ist einem Anwohner aus dem Kochtopf gehüpft und dann auf dem Weg in die Freiheit bei Wichmanns vorbeigekrebst.
Das allerdings wäre dann kaum zu belegen und eine ganz andere Geschichte: die nämlich von der Wollhandkrabbe als verhindertem Weihnachtsbraten.