"Damals konnte man sich so weit zur Arbeit"

Heinz Schleier aus Hiddinghausen war bis 1967 Bergmann in Neuwülfingsburg.

Hiddinghausen. Die Auswahl war nicht groß. In Hiddinghausen, wo die Familie Schleier in einer kleinen Häuser-Ansammlung außerhalb wohnt, gab es noch nie viele Unternehmen. "Damals war dat so, dass man nicht so weit zur Arbeit konnte", erzählt Heinz Schleier. Schon sein Urgroßvater arbeitete neben seiner Landwirtschaft als Steiger, Großvater und Vater ebenfalls, und so trat auch der Sohn am 20. Februar 1950 in die Zeche Neuwülfingsburg ein. Die zwei Kilometer zum Schacht konnten leicht zu Fuß bewältigt werden.

Wie alle anderen auch fing Schleier als Schlepper an. "Da habe ich Nebenarbeiten erledigt, die Wagen angehängt, die Haspel betrieben", erzählt er. Spezielle Kleidung für unter Tage kam erst in den 60er Jahren auf. Davor schützte einzig ein Helm vor herabfallenden Steinen, eine große batteriebetriebene Handleuchte erhellte den dunklen Stollen. Fünf Pferde zogen damals die Loren voll mit Kohle aus den Tiefen, kamen nur selten am Wochenende an die frische Luft.

"Als 1954 der Schacht dann fertig war, bekamen wir Dieselloks. Da wurden auch die Wege immer weiter", erzählt Schleier. Schnell stieg er zum Lokfahrer auf, denn Maschinen waren schon immer sein Ding. "Da musste man aufpassen, dass man nicht zu schnell wurde und aus der Kurve flog." Zehn, 15 Hauer standen damals nebeneinander am Kohleflöz und hämmerten die Kohle mit Presslufthämmern heraus. "Damals gab es viele schwere Unfälle durch Steinschlag, es gab ja noch keine Sicherheitsgesetze", erinnert sich der Hiddinghauser.

Als der erste Kohlehobel angeschafft wurde, der mit Hydraulik an die Kohle gestemmt wurde und dann von einer Kette gezogen die Kohle von der Wand schrappte, konnten zwei oder drei Leute viel mehr Kohle abbauen als vorher die Hauer. Ein Förderband fing die Kohle auf und schaffte sie automatisch zur Lore. "In den großen Zechen wird das heute alles automatisch gemacht. Da schaffen Fließbänder die Kohle bis zum Aufzug, wo sie dann computergesteuert verladen wird."

Eine Zeit lang arbeitete Schleier auch im Streckenvortrieb. Er bohrte rund 20 tiefe Löcher in den Stein, ein Sprengmeister stopfte Sprengstoff hinein und legte ein langes Kabel um die nächste Ecke, wo das Ganze gezündet wurde. Ohrenschützer gab es dafür nicht. "So schlimm ist das nicht", behauptet Schleier, der tatsächlich auch mit 74 Jahren noch gut hört. Per Hand wurden dann die Kohlen in die Loren geklaubt und neue Schienenstücke angeschraubt.

Eine große Erleichterung war es, als in den 60ern ein Ladewagen die Kohlen mit einer Schaufel aufhob und hinter sich in den Wagon warf. 1967 jedoch wurde die Zeche geschlossen, sie konnte nicht mehr mit den großen mithalten. "Ich habe noch bis zuletzt mit dem Bagger den Abraum des Abbruchs auf Lkw geladen", erzählt Schleier. Einen speziellen Führerschein hat er für den Bagger nicht gemacht: "Ich habe mich einfach draufgesetzt." Schließlich hatte er damals auch als erster in der Zeche ein eigenes Auto.

Sorge um sein Einkommen musste er sich auch nach Schließung der Zeche nicht machen - damals waren Arbeitskräfte noch begehrt. Zuerst arbeitete er als Kranfahrer, dann als Gabelstaplerfahrer im damaligen Lager von Kraft in Hiddinghausen. 1989 jedoch hatte sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert, Schleier wurde mit 56 Jahren arbeitslos. Er überbrückte schließlich einige Jahre und konnte als Bergmann dann mit 60 Jahren in Rente gehen. So hat er genug Zeit, sich seinem Hobby, der Imkerei, zu widmen.