Jahreswende in Neuss Woher kommt der Sauerkraut-Brauch?

Neuss · Silvester ist die Zeit für Traditionen – und angeblich auch für Sauerkraut, das im nächsten Jahr für finanziellen Wohlstand sorgen soll. Doch wie steht es um diesen Brauch in Neuss? Die NGZ hat bei Gastronomen und Metzgern nachgefragt.

Viele Jahre galt Neuss als Stadt des Sauerkrauts, was im Namen „Neusser Sauerkraut“ zu erkennen ist.

Foto: Hammer, Linda (lh)

An Silvester gibt es eine Vielzahl an Bräuchen und Traditionen. In vielen Teilen Deutschlands ist es üblich, um Mitternacht ein Feuerwerk zu zünden oder sich mit geschmolzenem Blei beziehungsweise Wachs die Zukunft voraussagen zu lassen. Rund um die Jahreswende gibt es aber auch spezielle regionale Bräuche. Ein Beispiel: Auf diversen Internetseiten ist davon die Rede, dass im neuen Jahr Sauerkraut serviert wird – unter anderem im Rheinland. Doch was hat es damit auf sich? Wir sind diesem Brauch in der ehemaligen Stadt des Sauerkrauts auf die Spur gegangen.

Eine Online-Recherche offenbart ganz verschiedene Erklärungen für den Brauch: Zum einen handelt es sich beim Sauerkraut, das oft mit Kassler oder Mettwürstchen serviert wird, um ein traditionelles und bodenständiges Gericht, besser bekannt als Hausmannskost. Beim Verzehr traditioneller Speisen kann es unter anderem darum gehen, das Jahr mit etwas Vertrautem ausklingen zu lassen und sich an unbeschwerte Kindheitstage zu erinnern. Gerne wird der Brauch nämlich auch in Zusammenhang mit der Redewendung „Futtern wie bei Muttern“ gebracht.

Eine andere Erklärung zielt auf die Konsistenz und Form der Speise ab. Die feinen, silbrig glänzenden Sauerkrautstreifen sollen früher mit Geld und Wohlstand assoziiert worden sein. Man glaubte, dass der Verzehr von Sauerkraut an Silvester das Glück und die finanzielle Sicherheit für das kommende Jahr fördern könne, berichtet Chat GPT auf die Frage nach dem Ursprung des Brauchs. Es könnten aber auch ganz praktische Gründe dahinter stecken: Sauerkraut ist nämlich ein Gericht, das aufgrund seiner langen Haltbarkeit auch im Winter leicht verfügbar war.

Wer in Sachen regionale Traditionen auf Nummer sicher gehen will, fragt jedoch besser die Experten vor Ort. Und in den Neusser Gaststätten und Metzgereien ist die Antwort eindeutig: Keiner der Befragten hat jemals etwas von diesem Brauch gehört. „Ich kenne ja wirklich ziemlich viele komische Gebräuche, aber das ist mir neu“, sagt unter anderem Georg Kessel, Inhaber der gleichnamigen Neusser Landmetzgerei. Nichtsdestotrotz sei Sauerkraut ein beliebter Winterartikel, den seine Kunden auch an den Feiertagen gerne kaufen.

Auch Erich Tiefenbacher, Gastgeber im Neusser Restaurant Herzog von Burgund und seit über 30 Jahren in Neuss beheimatet, ist ein solcher Brauch nicht bekannt. Selbst in der Gesellschaft Erholung, in der Tradition laut Mitglied Tiefenbacher groß geschrieben wird, habe er davon noch nichts gehört. Und doch ist der Gastronom ein großer Freund des Sauerkrauts. Wichtig sei eine gute Zubereitung: „Ich verwende bei meinem Sauerkraut immer einen kräftigen hellen Kalbsfond“, so Tiefenbacher. Dieser gebe dem Kraut mehr Fülle. Im Herzog von Burgund wird er dann gerne als Champagnerkraut oder auch mal aus Sauerkrautschaumsuppe gereicht.

Auch im „Spitzweg“ serviert Marika Weinhold-Blum die Beilage gern in einer modernen Variante als Champagnerkraut oder Vanille-Rahmkraut mit Zanderfilet. Wichtig dabei. „Ein gutes Sauerkraut muss ein ausgewogenes Säureverhältnis haben“, so die Inhaberin.

Dass der Verzehr an Silvester allerdings für finanziellen Wohlstand sorgen soll und deshalb besonders oft im Rheinland zur Jahreswende gegessen werde, sei auch ihr neu. „Ansonsten würde ich ein ganzes Sauerkraut-Menü kochen“, sagt sie lachend.