Politische Runde Wuppertals Polizeipräsident: „Beunruhigendes Gesamtbild bei der Messerkriminalität“

Wuppertal · Jüngst gab es grausame Fälle von Messerkriminalität. Handelt es sich dabei um eine neue Bedrohung? Das sagen Wuppertals Polizeipräsident Markus Röhrl und Kriminologie-Professor Dirk Baier über das Phänomen.

Markus Röhrl schilderte im Otto-Roche-Forum seine Sicht der Dinge als Chef des Polizeipräsidiums Wuppertal.

Foto: Florian Schmidt

Ist Messerkriminalität eine neue Bedrohung? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Montag die Politische Runde der Bergischen VHS. Im Otto-Roche-Forum verfolgten etwa 80 Gäste das Gespräch zwischen dem Wuppertaler Polizeipräsidenten Markus Röhrl und Kriminologie-Professor Dirk Baier, der per Video aus Zürich zugeschaltet war.

Zur Diskussion eingeladen hatte Riem Karsoua, die seit dem vergangenen Jahr zum Moderationsteam der Politischen Runde gehört. Das Messerattentat vom August in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten habe sie wochenlang nicht losgelassen, so die Journalistin (WDR Lokalzeit). Als weiteren Anlass nahm Karsoua die Infokampagne, mit der sich die Polizei im Oktober 2024 vor allem an junge Menschen wandte. Unter dem Motto „#BesserOhneMesser“ wurde daran erinnert, dass kleine Messer reichen, um jemanden schwer zu verletzen oder zu töten, und dass schon das Mitführen eines Messers eine Straftat darstellen kann. „#BesserOhneMesser“ sei bereits vor dem terroristischen Anschlag von Solingen geplant worden, erklärte der Polizeipräsident. In jedem Fall ergibt sich für ihn ein beunruhigendes Gesamtbild. Aus den Kriminalstatistiken der letzten beiden Jahre gehe hervor, „dass die Gewalttätigkeit im öffentlichen Raum doch erheblich zugenommen hat“. Insbesondere gegen Messerkriminalität wende die Polizei eine Fülle von Maßnahmen an, sagte Röhrl. Wer zum Messer greife, müsse mit dem Einzug der Waffe rechnen. Man könne die Fahrerlaubnis verlieren oder nicht zur Führerscheinprüfung zugelassen werden. Es gebe empfindliche Strafen für Delikte wie Raub, die mit einem Messer begangen werden.

Für eine differenzierte
Betrachtung der Statistiken

Die Herkunft der Messerkriminellen gibt Röhrl zu denken: „Darüber muss man mal offen reden.“ Er verstehe die Statistiken so, dass die Hälfte der Straftäter keine deutsche Nationalität habe. Auch unter den Festgenommenen mit deutschem Pass fände man viele junge Männer mit Migrationshintergrund. Damit Präventionsmaßnahmen greifen könnten, müsste der „kulturelle Hintergrund“ der Täter und ihr Aufwachsen in „patriarchalischen Strukturen“ stärker berücksichtigt werden. Röhrl fragte nach dem Integrationswillen dieser Menschen: „Wie können wir diese jungen Leute wieder auf die richtige Bahn führen? Wir brauchen Initiativen und sehr viel Geld, um diese Probleme zu lösen.“

„Es gibt nicht nur ein Phänomen von Messerkriminalität“, betonte der Kriminologe. Er wandte sich gegen den Versuch, die Verantwortung dafür „einer Ausländergruppe in die Schuhe zu schieben“. In seinen Ausführungen warb Baier für eine differenzierte Betrachtung der Statistiken. Einerseits dürfe man nicht vergessen, dass „die Hälfte der Messerkriminalität häusliche Gewalt ist“. Da in den meisten Haushalten Messer vorhanden seien, griffen die Täter entsprechend oft darauf zurück. Andererseits gebe es bei Messerkriminalität ein „Dunkelfeld“: Nicht jeder, der etwa mit einem Messer bedroht werde, zeige dieses Vergehen an. Beim Anzeigeverhalten falle zudem auf, dass Anwesende „fremdländisch aussehende Menschen“ häufiger als andere bei der Polizei meldeten.

Bei Messerkriminalität im öffentlichen Raum macht Baier drei Tätergruppen aus. So gibt es diejenigen, die selbst schon Opfer von Gewalt geworden sind und sich bewaffnen. Es gibt Personen mit psychischen Auffälligkeiten, die sich von einem Messer Schutz versprechen. Ähnliche Motive bewegen auch Menschen mit Alkohol- und Drogenproblemen. Baier macht Sorgen, dass viele Jugendliche den Besitz eines Messers mit „männlicher“ Stärke assoziieren. Überwunden geglaubte Vorstellungen von Männlichkeit seien wieder populär: „Auch unter deutschen Jugendlichen hat das zugenommen“. Wer aufklären wolle, müsse in die Schulen gehen. In der Hinsicht gebe Berlin ein gutes Beispiel ab.

Die Politische VHS-Runde am Montag, 3. Februar, beschäftigt sich mit der Geschichte der Bayer AG und Arthur Eichengrün, dem eigentlichen Erfinder des Aspirins. Zu Gast ist sein Biograf Ulrich Chaussy. Beginn ist um 19.30 Uhr.

(dad)