Erst zerstört, dann schnell wieder hergestellt Oper "Angel's Bone" in Wuppertal: Das ist das Geheimnis der Flügel
Wuppertal · In der Oper "Angel's Bone" in Wuppertal müssen die malträtierten Schwingen schnell wieder für die nächste Aufführung hergestellt werden. Die Kostümleiterin erklärt, wie das funktioniert.
Erst stürzen acht Engel in einen Garten, dann werden sie gequält, prostituiert und ramponiert. Die acht Himmelsboten der Oper „Angel‘s Bone“ haben es schwer – und ihre Flügel mindestens ebenso. Sie werden gerupft, gebrochen oder abgerissen. Aber wie schafft es die Schneiderei der Oper, die acht derart ramponierten Flügelpaare am nächsten Tag für die Aufführung wieder intakt parat zu haben, damit sie wieder zerstört werden können? „Das hat mich viel Gehirnschmalz gekostet“, berichtet Elisabeth von Blumenthal, Kostümleiterin und Gewandmeisterin Herren an der Wuppertaler Oper ist. Sie arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Oper. Iris Miltrup, Herrenschneiderin im Opernhaus, ist seit Mai an der Entwicklung der Flügelpaare beteiligt: „Das macht man nicht alle Tage.“
Grundlage für die Schwingen waren Entwürfe von Sammy van den Heuvel (Bühne und Kostüm), die allerdings weiterentwickelt wurden. Zunächst arbeitete die Schneiderei an der Form der Flügel. Modelle wurden aus Pappe geschnitten, die eine Länge von etwa einem Meter haben und einem Erwachsenen vom Kopf bis zum Gesäß reichen. Als die Flügelform und -größe feststand, wurden die Schwingen aus grobem Gitterstoff mit Kunststoffbeschichtung (Varaform) geformt. Sie sollten zuerst mit Klettband (von Blumenthal: „Das war aber zu laut, wenn die Flügel während der Aufführung abgerissen wurden“), dann mit einer Schiene („Das wurde abgelehnt, da der Ablauf des Abreißens unnatürlich wirkte.“) und schließlich mit Magneten an einer extra gefertigten Weste befestigt werden. Die Schauspieler fühlten sich jedoch in der Weste mit den etwa ein Kilogramm schweren Flügeln zu eingeengt. „Deshalb haben wir die Flügel mit Gurten an den Sängern befestigt. Die konnten besser auf den jeweiligen Darsteller eingestellt werden“, so die Gewandmeisterin. Zeitgleich bestellte sie 16 Kilogramm Gänsefedern in vier Rosatönen, denn der Flügelrohbau sollte per Heißkleber mit den Federn ausgestattet werden. Und schon wieder wurde es problematisch. Im Scheinwerferlicht auf der Bühne leuchteten die frisch gefärbten Gänsefedern hell und freundlich. Die Engel sollten aber schmutzig und ramponiert aussehen. „Wir haben sehr starken Kaffee gekocht und die Federn damit gefärbt, damit sie pastellfarbig und eher matt wirken“, so von Blumenthal.
Die Flügel mussten auf Wunsch
der Regie Federn lassen
Dann kam der schwierige Teil. Die Flügel sollen zerstört, aber nach der Aufführung auch schnell wieder in Ordnung gebracht werden. Zunächst war die Anweisung der Regie, dass die Schwingen in der Mitte brechen sollten, so dass die Engelsschar mit hängenden Flügeln zu sehen war. Die Requisite hatte dafür eine gute Idee. In jede Schwinge wurde ein Holzstäbchen gesteckt, das den Flügeln die Spannkraft verlieh. Wird das versteckte Stäbchen während der Aufführung durchbrochen, hängt der Flügel traurig herab. Nach der Oper wird das zerstörte Stäbchen durch ein neues ersetzt und der Flügel ist wieder hergestellt.
Doch im Laufe der Proben wünschte die Regie, dass die Flügel zusätzlich eingerissen, die Spitze abgerissen und Federn ausgerupft werden können. „Wir haben also zum Beispiel die Spitze abgeschnitten und mit Klettband wieder zusammengesetzt“, erklärt von Blumenthal. An anderen Flügeln wurden auf diese Weise Risse eingebaut. Das Reißen des Klettverschlusses passt zur brutalen Handlung. Doch damit nicht genug. Federn wurden so präpariert, dass sie aus den Flügeln gerupft und nach der Oper aufgesammelt und wieder an ihre Stelle gesteckt werden können. Bei den Engeln, denen ein Flügel restlos abgerissen wird, klafft an der Schulter eine „blutdurchtränkte Wunde“ (ein rotgefärbter Klettverschluss).
Jeder Engel trägt in „Angel‘s Bone“ seine Flügel auf dem Rücken. Die Flügel müssen stabil, denn die Engel werden geschubst und in Käfige gepfercht. Zunächst war es für manchen Darsteller schwer, den Schmerz zu zeigen, wenn ein Flügel abgerissen oder verletzt wurde.
„Für einige fühlten sich die Flügel eher wie ein Rücksack und nicht wie ein Körperteil an“, berichtet von Blumenthal. Doch inzwischen sind alle Engel eins mit ihren Flügeln und leiden, wenn ihre wunderbaren Schwingen mehr und mehr zerstört werden. Und dann gilt: Nach der Oper ist vor der Oper. Schnell sind die großen Flügel für die nächste Aufführung wieder hergestellt. Dank des Einfallsreichtums der Schneiderei.