offen gesagt Schlafen für die Kultur

Wuppertal · Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, verschuldete Kommunen wie Wuppertal von ihren Altschulden zu befreien.

Foto: Schwartz, Anna (as)

So ein Stadtkämmerer wird gut bezahlt. Er hat eine krisenfeste Anstellung und übersteht seine Wiederwahl durch den Rat im Achtjahres-Rhythmus in aller Regel schadlos. Auch Wuppertals Finanzminister braucht nicht bedauert zu werden. Eigentlich. Aber angesichts der neuesten Wendungen in der städtischen Haushaltsbastelei kann Johannes Slawig dem Betrachter schon ein bisschen leid tun. Wuppertals Kämmerer will in Zukunft eine Bettensteuer auf Hotelübernachtungen erheben. Netto sollen dadurch pro Jahr 350 000 Euro in die Kasse der Stadt gespült werden. Gemessen am Gesamthaushalt von etwa 1,4 Milliarden Euro sind das 2,5 Promille - also so gut wie gar nichts. Allein diese Rechnung zeigt das ganze Dilemma von Städten wie Wuppertal. Sie müssen mit Bruchteilen der Portokasse rechnen, um die Dinge bezahlen zu können, die das Leben in einer Stadt auch lebenswert machen. Seien es nun Sportstätten, Spielplätze oder auch ihr kulturelles Angebot.

Die Wirkung des ganzen Steuerprojektes ist, wenn es vom Rat genehmigt wird, denn auch überschaubar. Allein die 150 000 Euro, die Wuppertal pro Jahr für die Vorbereitungen auf das hoffentlich irgendwann einmal entstehende Pina-Bausch-Zentrum an der Kluse in Elberfeld steckt, sind bemerkenswert. Dass die städtischen Bühnen mit 50 000 Euro zusätzlich ausgestattet werden müssen, zeigt nur, wie sehr auch dort die Finanzdecke auf Kante genäht ist. Die vermeintliche Wohltat beschreibt nichts anderes als einen Skandal.

Angesichts von immerhin 620 000 Übernachtungen pro Jahr in Wuppertaler Hotels stellt sich allerdings die Frage, warum Slawig lediglich die Privatbesucher mit dem fünfprozentigen Aufschlag pro Nacht belasten will. Die 85 Prozent Geschäftsreisenden bleiben verschont. Dabei können die sich entweder von der Steuer befreien lassen oder sie als Kosten über Reisespesen wenigstens steuerlich geltend machen. Privatleute können das nicht.

Grundsätzlich aber dürften solche Einnahmequellen für Städte ohnehin nur das allerletzte Mittel sein. Kommunen, die ihren Gästen in die Tasche greifen, machen sich nicht sonderlich beliebt, egal ob es sich um Privat- oder um Geschäftsreisende handelt.

Aber Wuppertal ist in Not. Wer offenen Auges durch diese Stadt geht, der kann das nicht übersehen. Putz bröckelt von den Fassaden öffentlicher Gebäude, manche Straßen ähneln Flickenteppichen. So verliert das eigentlich prachtvolle Wuppertal mit jedem Jahr notorischer Geldknappheit an Attraktivität.

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, verschuldete Kommunen wie Wuppertal von ihren Altschulden zu befreien.

Und es ist an der Zeit, dass vor allem die Bundestagsabgeordneten aus Wuppertal diesem Ansinnen ihrer Heimat-Wahlstadt Nachdruck verleihen. Ohne jeden Zweifel ist Jürgen Hardts (CDU) Beziehungspflege zu den Vereinigten Staaten von Amerika wichtig. Niemand wird bei klarem Verstand in Abrede stellen, dass Helge Lindh (SPD) zurecht darum kämpft, dass ertrinkende Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet werden dürfen. Und dass Manfred Todtenhausen (FDP) unermüdlich für eine bessere Wirtschaftspolitik und gegen Bürokratie wirbt, ist ebenso aller Ehren wert.

Aber bei all dem sollten die Wuppertaler Abgeordneten ihre Wähler nicht vergessen. Den flammenden Appellen für die Seenotrettung, gegen zu viel Bürokratie und für die Freundschaft Deutschlands zu den USA hätten längst ebenso flammende Appelle dafür folgen müssen, dass Kommunen im permanenten Strukturwandel wie Wuppertal oder auch Solingen und Remscheid aus den seit Jahren üppig sprudelnden Steuerquellen des Bundes so ausgestattet werden, dass sie ihren Bürgern problemloser ein lebenswertes und ihren Unternehmen ein konkurrenzfähiges Umfeld schaffen können. Sie decken schließlich auch staatliche Sozialkosten, die sie selbst weder verursacht haben noch beeinflussen können.

Doch von auskömmlicher Finanzausstattung durch Bund und Land ist Wuppertal meilenweit entfernt. Noch ist das Licht am Ende des Tunnels auch nicht viel mehr als eine Trauerfunzel und sind die Aussagen von Politikern in Düsseldorf und vor allem Berlin bisher reine Lippenbekenntnisse. Deshalb müssen Kämmerer wie Johannes Slawig zu solch unpopulären Mitteln greifen.

Aber die Medaille hat eine Kehrseite. Schlafen für die Bühnen? Rasen für die Kultur? Mit der Bettensteuer und noch mehr Blitzgeräten am Wegesrand wird Slawig Wuppertal sicher nicht retten können. Im Gegenteil. Gebühren- und Steuererhöhungen, Zusatzabgaben und Bußgeldwahn schaden Städten mehr als sie nutzen.