Offen gesagt Wie Löschen mit Fingerhüten
Die Stadt Wuppertal wird das Haushaltsjahr 2019 voraussichtlich mit einem Überschuss von 30 Millionen Euro abschließen. Das ist eindeutig die gute Nachricht der Woche. Sie stammt aus dem Büro des Stadtkämmerers, das als Quelle guter Nachrichten leider selten von sich reden macht.
Diesmal hatte der oberste Finanzhüter der Stadt, Johannes Slawig, frohe Kunde, zumal das laufende Jahr wohl mit einem Minus in einstelliger Millionenhöhe enden wird. Gemessen daran zeichnet sich für das nächste Jahr also Licht am Ende des Tunnels ab. Sind also die Jahre des Darbens, des Sparens bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus endlich vorbei? Nein, natürlich nicht. An der grundsätzlichen Finanzausstattung Wuppertals ändert sich ja nichts. Der Kämmerer bleibt davon abhängig, dass Unternehmen Gewerbesteuern und Bund sowie Land Kostenanteile überweisen. Das war immer schon ein Spiel gegen die Bank. Mal beteiligen sich Düsseldorf und Berlin stärker an Kosten, die sie selbst verursacht haben, mal tun sie es weniger. Nur wenn die Umstände so sind, wie sie im nächsten Jahr zu werden scheinen, dann bleibt selbst für Wuppertal etwas übrig. Endlich Gestaltungsspielraum also? Nein, das nun auch wieder nicht. Kämmerer Slawig hat nämlich beschlossen, den Überschuss in die Schuldentilgung zu stecken. Das ist im Sinne ordnungsgemäßer Buchführung ein honoriger Schritt. Leider führt er zu nichts.
Wuppertal kennt von seiner Stadtverwaltung seit Jahr und Tag nur zwei Antworten, wenn es darum geht, etwas zu ändern, zu bewegen, zu gestalten. Antwort 1: Wir haben kein Geld. Antwort 2: Wir haben keine Leute, wobei Antwort 2 auf Antwort 1 basiert. Nun hat die Stadtverwaltung einmal Geld. Deshalb wäre es jetzt an der Zeit, intensiv darüber nachzudenken, wie sich der Überschuss von bis zu 30 Millionen Euro zum Wohle aller Wuppertaler verzinsen ließe. Es wäre beispielsweise vielen Kulturfreunden gedient, wenn das Geld zumindest in Teilen in das neue Tanzzentrum im Schauspielhaus flösse. Auch die Infrastruktur, also Straßen und Gebäude, benötigen an vielen Stellen Wuppertals mehr als einen Anstrich. Einige Stadtteile, wie etwa Cronenberg, Ronsdorf, Vohwinkel und Beyenburg sind in den vergangenen Jahren angesichts des Niederganges von Wichlinghausen und Oberbarmen aus dem Blickfeld geraten. Mit guten Konzepten und ein wenig Geld, sie umzusetzen, wäre ihnen geholfen.
Sehr gewinnbringend ließen sich die Millionen auch in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter investieren. Dort stehen derzeit fast 50 000 sogenannte Bedarfsgemeinschaften auf der Unterstützungsliste. Die Kosten dafür schlagen jedes Jahr mit gut 350 Millionen Euro zu buche, von denen ein Gutteil aus dem Wuppertaler Haushalt kommt. Gezielte Weiterbildungsangebote mit personalintensiver, aber dank des Überschusses bezahlbarer Betreuung könnte dazu führen, dass die Zahl 50 000 sinkt. Wenn nur 2000 Hartz-IV-Haushalte vom Joch der Sozialhilfe befreit würden, wäre das nicht nur schön für diese Menschen, sondern auch eine erhebliche Verzinsung des Überschusses, den Johannes Slawig in den Schuldenabbau stecken will.
Das ist, wie gesagt, grundsätzlich kein schlechter Gedanke – für eine Stadt, die sonst keine Sorgen hat. Aber Wuppertal hat einerseits Sorgen. Andererseits sind im Stadtrat die Karten neu gemischt worden. Vielleicht erwachen die Ratsleute jetzt aus ihrem Tiefschlaf und entwickeln brauchbare Fantasien für den Umgang mit den unerwarteten Millionen. Wenn nicht, zahlt Slawig Schulden zurück. Die Wirkung wäre wahrlich atemberaubend: Wuppertal hat kurzfristige Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, hinzu kommen langfristige Kredite in Höhe von mehr als 700 Millionen Euro. Insgesamt steht diese Stadt mit mehr als zwei Milliarden Euro in der Kreide. Da wirkt die Tilgung selbst von 30 Millionen Euro so, als führe die Feuerwehr zu einem Großeinsatz, um den Brand mit Wasser aus Fingerhüten zu löschen.