Besonders ein Bereich betroffen Wuppertal meldet sich immer häufiger krank
Wuppertal · Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage in Wuppertal ist gestiegen – besonders ein Bereich ist betroffen.
Die Arbeitnehmer in Wuppertal waren im vergangenen Jahr deutlich länger krankgeschrieben als in den Jahren zuvor. Nach einer Analyse im aktuellen Gesundheitsreport der Barmer Krankenkasse hat jede Arbeitskraft 2022 durchschnittlich an 23,4 Tagen krankheitsbedingt gefehlt. 2021 hatte der Wert noch bei 18,1 Tagen gelegen.
„Wegen der Coronamaßnahmen und aufgrund des Ausbleibens von Grippe- und Erkältungswellen waren die Werte der Arbeitsunfähigkeit 2021 rückläufig“, sagt Lars Meyborg, Geschäftsführer der Barmer in Wuppertal. „Nun sind die Werte sprunghaft um 30 Prozent angestiegen.“ Wie schon in den Vorjahren lagen die Daten in Wuppertal über dem landesweiten Schnitt. So ergab eine bundesweite Auswertung der AOK Rheinland/Hamburg, dass sich Berufstätige im ersten Halbjahr 2023 durchschnittlich nur 13 Tage lang krank meldeten.
Deutlich mehr Fehltage waren 2022 auf Erkrankungen des Atmungssystems zurückzuführen. Im Durchschnitt waren die Arbeitnehmer in Wuppertal an fünf Tagen wegen einer Erkältung, Corona oder eines anderen Atemwegsinfekts arbeitsunfähig – 2021 hatte die Barmer hier nur anderthalb Tage verzeichnet. „Dieser massive Zuwachs lässt sich darauf zurückführen, dass die Lebensumstände und Verhaltensweisen nicht mehr so strikt eingeschränkt waren wie in den ersten beiden Jahren der Pandemie“, so Meyborg. Weiterhin hoch sind die Raten bei den psychischen Erkrankungen. 2022 waren die Erwerbstätigen im Schnitt an fünf Tagen wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig.
Hohe Arbeitsdichte
erzeugt mehr Druck
„Die zunehmende Anzahl von Krankheitstagen ist vielschichtig zu sehen“, sagt Marcel Gabriel-Simon, gesundheitspolitischer Sprecher der Wuppertaler Grünen auf Nachfrage der WZ. „Zum einen ist die Arbeitsverdichtung in vielen Branchen kontinuierlich gestiegen.“ Hohe Effizienz bilde bei den meisten Arbeitgebern mittlerweile eine Grundlage. „Diesem Druck standzuhalten, wird immer schwerer. Kommt dann ein schlechtes Betriebsklima hinzu oder ist der Arbeitgeber beim betrieblichen Gesundheitsmanagement nicht gut aufgestellt, kann die Erhöhung der Krankheitstage gerade aufgrund von psychischen Erkrankungen nicht verwundern.“
Gabriel-Simon sieht zwei Möglichkeiten, dieses Problem anzugehen: „Man muss die Präventionsangebote stärken, um Krankheiten früher gegensteuern zu können.“ Hierbei habe jeder auch eine Eigenverantwortung, solche Angebote wahrzunehmen. Aber auch Arbeitgeber könnten etwas für ihre Mitarbeiter tun, darunter regelmäßige Feedbackgespräche, „um Konflikte auszuräumen und mehr Arbeitszufriedenheit zu erreichen“, aber das Aufstellen eines Obstkorbes oder das Angebot eines Dienstrades. Zudem müsse dringend die Wartezeit für Facharzttermine verringert werden. „Dass bei manchen Ärzten erst nach acht bis zehn Wochen Termine zu bekommen sind“, sei bedenklich.
Die bundesweite Analyse der AOK Rheinland/Hamburg offenbarte darüber hinaus, dass besonders Mitarbeiter der Pflegebranche von Arbeitsunfähigkeit betroffen sind. Hier wurde mit 9,6 Prozent erneut der höchste Krankenstand im ersten Halbjahr 2023 gemessen. Diese Branche hatte bereits 2022 an der Spitze der Übersicht gestanden.
Mehr psychische Belastung
in Pflegeberufen
„Früher lag der Schwerpunkt der Erkrankungen in der Pflege aufgrund der körperlichen Belastung bei Skelett- und Muskelerkrankungen, heute spielt die psychische Belastung eine größere Rolle“, sagt Irma Testagrossa vom Beirat der DRK Schwesternschaft Wuppertal. Die Arbeitsumstände hätten sich gewandelt, die Belastung sei auch aufgrund von Personalmangel größer, der Alltag schnelllebiger geworden. „Ich mag es kaum so ausdrücken, aber es geht immer stärker darum, über den Tag verteilt Fälle abzuarbeiten.“
Um dem entgegenzuwirken, müsse die Qualifizierung noch stärker soziale Komponenten wie Resilienz sowie Zeitmanagement berücksichtigen. Trotzdem sei die Pflege ein schönes Berufsumfeld, „weil es mit einer erfüllenden Tätigkeit und Wertschätzung seitens der Bewohner und Patienten verbunden ist“.
Auch beim Wuppertaler Pflegedienst Wessel haben die Krankmeldungen ebenso wie in der bundesweiten Statistik zugenommen, sagt Inhaber Michael Wessel. Ursache sei in erster Linie die Überlastung am Arbeitsplatz. „Als Konsequenz müssen wir, wie viele andere Unternehmen auch, auf Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen, um die Arbeitsabläufe zu garantieren.“ Seine Forderung gehe daher an die Politik, „die Pflege so zu finanzieren, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität und attraktivere Arbeitsbedingungen anbieten können. Denn die Pflege ist perspektivisch so nicht auskömmlich finanziert, die Situation wird sich nicht verbessern.“ Auch die stetig wachsende Bürokratie mache die Tätigkeit einer Pflegekraft zunehmend unattraktiver. „Auf die Umsetzung des Versprechens der Politik, Bürokratie abzubauen, warten wir in der Branche seit Jahren.“
Positive Gegenbeispiele gibt es in Wuppertal jedoch auch: „Ich kann glücklicherweise keine signifikante Steigerung in der Höhe der Krankheitstage feststellen, was mit Sicherheit eine Ausnahme ist“, sagt Kerstin Wülfing, Leiterin des Kinderhospizes Burgholz. „Bei uns im Haus hat es daher kaum Auswirkungen auf die tägliche Arbeit. Ich hoffe, es bleibt so.“