Die Krise der Kanzlerin

Auch innerhalb der Union nimmt die Kritik an Angela Merkel zu. Die Konservativen verlangen klare Positionen.

Berlin. Angela Merkels Gesichtshaut ist fahl an diesem Morgen, die Kanzlerin sieht aus wie jemand, der unter notorischem Schlafmangel leidet: Dicke Ringe unter müden Augen.

Sie spürt in diesem Moment, als sie die Glocke schwingt, um die Fotografen und Kameraleute aus dem Saal zu komplimentieren, eine tonnenschwere Last: "Im Moment sehen wir vor lauter Schwierigkeiten kein Land", schwant es einem Merkel-Helfer. Oder in den Worten des Merkel-Vertrauten, Bundesumweltminister Norbert Röttgen: "Die Menschen sind verunsichert, weil die Politik nur noch getrieben wird."

Wird sie also vom Kabinett, von ihrer Partei, von den Finanzmärkten getrieben? Man kann das so sehen. Merkel kämpft seit Bildung der schwarz-gelben Koalition um Freiräume. "Dabei ist sie von ihrem Prinzip, Politik vom Ergebnis her zu denken, erheblich abgewichen", sagen Kritiker aus der Unionsfraktion.

Sie hat die Debatte ihres Vize Westerwelle um die Verfasstheit des Sozialstaates ("Spätrömische Dekadenz") ebenso ohne Gegenwehr laufen lassen wie den Trommelwirbel der Liberalen für ein "einfaches, niedrigeres und gerechteres Steuersystem".

Aber anders als erwartet schadeten diese Vorgänge der FDP nicht sonderlich, wohl aber der CDU, die für das Gesamterscheinungsbild der Regierungen in Berlin und Düsseldorf verantwortlich gemacht wurde.

"Langsam gerät sie an die Grenzen ihres heiß geliebten Moderatoren-Stils in der Politik", wird beim Koalitionspartner FDP registriert. Merkel sei innerparteilich unumstritten, "aber sie wird nach dem 9.Mai stärker hinterfragt", ist zu hören.

Im Klartext heißt das: Der Druck wächst. Es gibt Belege dafür: Am Montag Abend trafen sich in der Baden-Württembergischen Landesvertretung Vertreter der Konservativen in der CDU. Man versteht sich zwar ausdrücklich nicht als Merkel-kritisch, wohl hält man der Parteispitze aber "unklare Positionierung" vor. Ihre politische Konseqenz: Die CDU müsse die konservativen Werte wieder stärker betonen - eine Forderung, die vor allem auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch vertritt.

Die Einschätzungsfehler bei der Landtagswahl werden Merkel noch intensiver beschäftigen. CSU und FDP zeigen sich unzufrieden mit der regierungsamtlichen Kommunikation und kritisieren Merkel offen.

Aber den Liberalen geht es um mehr: Sie bemängeln, dass sie in dem Abschlusskommuniqué des Krisengipfels die Forderung nach einer Weltfinanzsteuer zustimmte - eine Forderung, die die Koalitionsparteien davor im Bundestag noch strikt abgelehnt hatten. Nun droht ein Koalitionskrach.