Internetsurfer am Pranger
Dubiose Seiten: Wer versteckte Preishinweise übersieht, wird zur Kasse gebeten. Wer dann nicht zahlt, auf den wird Druck ausgeübt. Ein Fall aus der Praxis.
Düsseldorf. Der zwölfjährige Luca wird so schnell nicht mehr auf ihm unbekannte Internetseiten gehen. Denn sein Besuch auf einer Seite über Genealogie (Ahnenforschung) und einer Seite mit Gedichten sollte ihn - so forderte jedenfalls die "Deutsche Inkassostelle" in Eschborn - 65 Euro im einen und 62,95 Euro im anderen Fall kosten. Er habe schließlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den beiden Internetseiten akzeptiert.
Die schriftlichen Einwände, die Lucas Eltern geltend machten - dass Luca gar nicht geschäftsfähig sei und sie als Eltern auch keinem Vertrag zustimmten - ignorierte das Inkassobüro. Zudem war es der Meinung, für diese Haltung auch einen besonderen Trumpf in der Hand zu haben: Den Hinweis, dass Luca nun mit einem Eintrag auf der Internetseite schuldnerverzeichnis.de verewigt sei. Im Klartext: Wenn Luca in Zukunft irgendwelche Geschäfte übers Internet abschließen wolle, dürfte er kaum noch Geschäftspartner finden, weil er einen negativen Eintrag auf dieser Schuldnerverzeichnis-Seite habe.
Schuldnerverzeichnis - das hört sich offiziell an. Und so soll es wohl auch sein. Jedoch: Das echte Schuldnerverzeichnis ist ein bei den Amtsgerichten geführtes Verzeichnis. Darin wird ein Schuldner erst dann registriert, wenn er eine eidesstattliche Versicherung (den früheren Offenbarungseid) abgegeben hat - also nach gerichtlichem Verfahren die Zahlungsunfähigkeit festgestellt ist. Anders als beim Internet-Schuldnerverzeichnis. Dort wird überhaupt nicht durch eine neutrale Instanz überprüft, ob die von der "Deutschen Inkassostelle" gegen den Schuldner geltend gemachte Forderung überhaupt zu Recht besteht.
Dass der Vertrag mit einem Minderjährigen unwirksam ist - ist egal, er wird trotzdem eingetragen. Der Kempener Rechtsanwalt Klaus Meyer sagt es so: "Der Bürger wird als Schuldner an den Pranger gestellt, obgleich überhaupt nicht über die Berechtigung der angeblichen Forderung gerichtlich entschieden ist."
Meyer ist der Anwalt, den Lucas Eltern in dem Fall eingeschaltet haben. Und nach dessen Aktivwerden die zunächst so forsch und kompromisslos auftretenden Schuldeneintreiber schnell und kleinlaut die Waffen streckten: "Wir werden die Forderung nicht weiter betreiben und die Akte schließen. Weiterhin teilen wir Ihnen mit, dass der Eintrag auf der Seite www.schuldnerverzeichnis.de über Ihren Mandanten gelöscht wurde."
Das hilft zwar Luca und seinen Eltern. Aber nicht denjenigen, die sich in vergleichbaren Fällen beeindrucken lassen und bezahlen. Dass Lucas Fall kein Einzelfall ist, bestätigt die Verbraucherzentrale Sachsen, die auch entsprechende Erfahrungen hat: Verbraucherschützerin Katja Henschler: "Zweck der Liste der Deutschen Inkassostelle, die an die Schufa erinnert, dürfte einzig sein, verstärkten Druck auszuüben."
Zugleich, so Henschler, werde suggeriert, dass andere Unternehmen Einblick auf ihre Daten haben. So müssen die Betroffenen außerdem befürchten, aufgrund des Eintrags mit diesen Betrieben in Zukunft keine Verträge mehr abschließen zu können.
Dubiose Internetseiten Manche Internetseite - von Rezepttipps über Gedichtsammlungen bis hin zu Genealogie - ist so gestaltet, dass die Nutzung auf den ersten Blick kostenlos erscheint. Tatsächlich fallen jedoch entweder einmalige Nutzungsentgelte an oder der Nutzer verpflichtet sich gar zu einem kostenpflichtigen Abo. Das Projekt "klicksafe - Mehr Sicherheit im Internet durch Medienkompetenz" gibt auf ihrer Webseite ausführlichen Rat.
versteckte Preishinweise Bei vermeintlich kostenlosen Angeboten nach versteckten Preishinweisen suchen. Ins Kleingedruckte sehen und die Internetseite bis ganz nach unten scrollen, dort könnte ein Kostenhinweis versteckt sein.
Persönliche Daten Mit den persönlichen Daten äußerst sparsam umgehen, genau überlegen, ob man die eigenen Bankdaten weiter gibt.
Impressum Vorsicht, wenn im Impressum der Internetseite nur ein Postfach angeführt ist. Auch wenn der Anbieter im Ausland sitzt, kann eine Reklamation schwierig werden.
Beweise sichern Zu Beweiszwecken ist es nützlich, die Internetseite nach Eingabe der eigenen Daten auszudrucken. Damit kann man bei einem möglichen Rechtsstreit nachweisen, wie die Seite zum Zeitpunkt des Besuches aussah.
Rat und Info Neben Rechtsanwälten gibt auch die Verbraucherzentrale NRW Rat, unter anderem mit Standardbriefen und Informationen über unseriöse Anbieter.