Umschlossen von Luxemburg und Lothringen schlängelt sich die Saar durch eine grüne Wein- und Genussregion Maria Croon und die Schleife

Hans-Josef Schneider kann einen schon ein wenig aus der Fassung bringen. „Wissen Sie, was der Saarländer am liebsten isst“, fragt der Küchenchef im Luxushotel Schloss Berg, einer weißen, ehemaligen Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert mitten in den Weinbergen der Gemeinde Perl an der Mosel.

Die Saarschleife ist unbestritten die landschaftliche Hauptattraktion des Saarlandes. 

Foto: Martin Wein

Erwartungsvoll räkelt sich Schneider auf dem Sofa in der chromglänzenden Hotellobby. Gesucht werde das inoffizielle Nationalgericht des kleinen Saarlandes. Und des Rätsels Lösung? „Gekochtes Ei mit Maggi“, freut sich der 60-Jährige.

Zu dieser Aussage eines Chefkochs muss man wissen, dass Saarländer wie Norddeutsche als ausgesprochen maulfaul gelten. Es ist fast ein Ereignis, wenn jemand überhaupt so viel sagt. Die Worte ihres Dialektes haben angeblich selten mehr als drei Buchstaben. „Unn?“ muss als Grußformel in nahezu allen Lebenslagen ausreichen. Als Antwort folgt meist ein langgezogenes „Ei, jo“. Da ist es wieder das Ei, aber wie gesagt bitte mit Maggi. Selbstironie gehört bei den Saarländern mithin zum Understatement.

Ins Saarland kommen
nur wenige Touristen

Eine Berliner Zeitung hat mal ausgerechnet, die Größe des Saarlandes entspreche der Anbaufläche für Schlafmohn in Afghanistan. Das kann man nun groß oder klein finden. Jedenfalls segelt das Ländchen beständig unter dem Radar der restlichen Republik und stellte trotzdem den DDR-Chef Erich Honecker und aktuell drei Bundesminister. Dort hat man mehr Autos und Häuser als anderswo in Deutschland und nachts wird signifikant öfter geschnarcht.

Doch man sollte sich nicht von der gemütlichen Zurückhaltung der Saarländer täuschen lassen. Nur weil das Saarland kaum einer kennt – kaum irgendwohin sonst in Deutschland kommen im Vergleich zu den Einwohnern weniger Touristen – kann es trotzdem ziemlich sehenswert sein. In Wahrheit ist gerade der äußerste Westen, von wo es nur einen Katzensprung nach Luxemburg oder Frankreich ist, eine lebenswerte Genussregion. Und eine grüne dazu, ganz anders als das Image verfallener Industriebrachen vom Saarland erwarten lässt. Überall blühen in diesen Wochen die Bäume. Den Wein, vor allem den weißen Elbling, brachten wohl schon die Römer mit an Saar und Mosel.

„Hier macht man es sich tatsächlich schon seit 2000 Jahren gemütlich“, sagt Bettina Birkenhagen. Die Archäologin hat ihren Arbeitsplatz nur ein paar Kilometer weiter auf einer großen Lichtung im Wald bei Borg. Dort ist an der alten Römerstraße von Trier nach Metz in den vergangenen Jahren die größte Rekonstruktion einer römischen villa rustica entstanden – weltweit. Rustikal ist hier allerdings wenig: In der zentralen Küche stehen vier Ofentypen – für Brot, Suppenkessel oder zum Braten, Grillen  und Schwenken.

Die Fenster im Haupthaus sind zweifach verglast, der Boden ist beheizt. Steinrinnen führen das Wasser von den Ziegeldächern ab. Im Badehaus gibt es Becken für Heiß und Kalt und bunte Malereien an den gewölbten Decken. Die 250 Beschäftigten des Großbetriebes schmiedeten, töpferten und bliesen Glaswaren. Im Garten tummeln sich Schweine, Schafe, Hühner und Wachteln. Außerdem wachsen Kohl, Möhren, Rote Beete und Hülsenfrüchte, dazu Mispeln, Birnen und Äpfel. Vietz nennt man in der Gegend noch immer den Apefemost als Ergänzung zum Wein, Küchenlatein von vice vinum.

„Der Lebensstandard war phasenweise wirklich enorm“, sagt Birkenhagen. Und erst ein Drittel der Anlage sei ausgegraben. Deshalb ist auch über die Besitzer des Latifundiums noch nichts bekannt. Fern von Rom waren sie offenbar reicher als viele Römer. Wer der Rekonstruktion nicht glaubt, den schickt Birkenhagen nach Nennig. Dort ist unter einem Schutzbau ein großes Mosaik am originalen Fundort erhalten. Es zierte im zweiten und dritten Jahrhundert den Hauptsaal einer Prachtvilla. Zu sehen sind Musikanten beim Spiel, Jagdszenen und wilde Tiere – antiker Luxus im Saarland.

Eine perfekt
gelungene Schleife

Und dann muss man sich von der „Maria Croon“ mit auf die Schleife nehmen lassen. Zwar erinnert das kantige Fahrgastschiff mit seinem Namen heute die meisten wohl eher an einen angestaubten Weinbrand als an die moselfränkische Schriftstellerin und ihre moralinsauren Gedichte und Erzählungen. Doch eine Fahrt von der Keramikstadt Mettlach – der Heimat von Villeroy und Boch – in die grüne Welt der Saarschleife muss einfach sein.

Gemächlich schlängelt und windet sich der Fluss durch das ganze Ländchen. Doch hier ist ihm die Schleife rund um die im Wald versteckte Burg Montclair so perfekt gelungen, dass der Mäander neidisch werden könnte. Wie im Karussell tuckert die „Maria Croon“ in einer 270-Grad-Kurve den Fluss entlang durch tiefgrünen Wald.

Hoch über dem Fluss liegt die Cloef, der fraglos bekannteste Aussichtspunkt des Saarlandes. Fast den ganzen Tag liegt der Fluss von dieser Quarzitnase aus im Gegenlicht. Doch von König Friedrich Wilhelm IV. bis zu Angela Merkel und Tante Trude aus Buxtehude haben schon Millionen gekrönter und ungekrönter Häupter den Ausblick genossen.

Wer noch weiter nach oben strebt, der kann seit 2016 wie 200 000 andere im Jahr auch auf dem Baumwipfelpfad bei nur sechs Prozent Steigung in sechs Runden 40 Meter auf den Aussichtsturm aus Stahl und Holz hinauf spazieren, ganz ohne ins Schwitzen zu kommen. Sportlicheren bieten sich dagegen in der Umgebung ausgedehnte Wanderrouten und für Radler die beliebte Saarschleifen-Runde an.

„Genuss hat eben viele Gesichter“, sagt zurück im Schloss Berg der Chefkoch Hans-Josef Schneider und schwärmt von Gefilde und Geheirate, von Lyonerpfanne oder Dibbelabbes. Es wäre jetzt von einem Saarländer zu viel verlangt, das alles zu erklären. Jedenfalls ist es deftig, denn die Bergleute und Stahlkocher an der Saar hatten früher viel Hunger. Kartoffeln, Fleisch und Sahne spielen deshalb eine zentrale Rolle. „Und es muss immer eine Flasche Maggi zur Hand sein, nicht nur im Advent, wenn vier Flaschen und eine Lyoner Fleischwurst als Adventskranz herhalten“, scherzt Hans Josef Schneider, der 2017 aus dem Ruhrgebiet in seine alte Heimat zurückgekehrt ist.

Jeder Saarländer verbraucht rund einen Liter der Würzsoße mit Liebstöckel im Jahr – das Doppelte des Bundesdurchschnitts. Für einen Koch ist die Gegend trotzdem ein gutes Pflaster. Schließlich lautet das saarländische Glaubensbekenntnis: „Hauptsach gudd gess.“ Ei jo.

Der Autor reiste mit Unterstützung der Tourismus-Zentrale Saarland.