Neue Heimat: Beuys' „Kapital“ erstmals in Berlin
Berlin (dpa) - Ein Konzertflügel und eine Axt, Filmprojektoren, Tonbandgeräte, eine Gießkanne, ein Waschzuber, Kernseife - und 50 eng beschriebene Schiefertafeln: Die Installation „Das Kapital“ von Joseph Beuys gilt als das Vermächtnis des legendären, aber auch umstrittenen Aktionskünstlers.
Lange drohte ihr die Demontage. Jetzt ist das monumentale Werk erstmals in seiner neuen Heimat Berlin zu sehen.
Das Museum Hamburger Bahnhof zeigt das Beuys'sche Schlüsselwerk in einer Ausstellung mit rund 130 ergänzenden und erklärenden Exponaten. „Das ist ein Weltereignis, und ich hoffe, dass auch Berlin es wahrnimmt“, sagte der Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann am Freitag vor der Ausstellungseröffnung.
Der Berliner Sammler Erich Marx (95) hatte „Das Kapital Raum 1970-77“, so der volle Titel, im vergangenen Jahr in einem spektakulären Coup gekauft und den Staatlichen Museen als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Nach dem vorläufigen Aufbau jetzt soll es von 2022 an ein Vorzeigestück im neuen Museum der Moderne werden.
Für die Premiere haben die Ausstellungsmacher ein hochintellektuelles Konzept entwickelt. In den drei Kapiteln Schuld, Territorium und Utopie sollen andere Kunstwerke und Artefakte mit dem „Kapital“ in einen Dialog treten, wie die Kuratoren erläutern. „Wir haben das Abenteuer des offenen Denkens unternommen“, sagt der Beuys-Experte Eugen Blume, der mit der Ausstellung seinen Abschied als Leiter des Hamburger Bahnhofs nimmt.
Das älteste Werk ist eine altbabylonische Inschrift - der Kaufvertrag über eine Sklavin, das jüngste ist das Aquarell eines sechsjährigen Berliner Mädchens. Dazwischen eng an eng Weltkultur im Brennglas: Caspar David Friedrichs „Riesengebirge“ und Andy Warhols „Mao“, Jeff Koons Staubsauger und Yinka Shonibares Dame mit drei Ocelots, eine Puppenstube und eine Dampfmaschine, Videos, Texte und über den Kopfhörer Rihannas blutrünstiger Hit „Bitch Better Have My Money“.
„Bei aller Vielfalt hat die Ausstellung nichts mit einer Wunderkammer zu tun“, sagt die Mit-Kuratorin Catherine Nichols - auch wenn es für manchen Besucher vielleicht leichter ist, sie genau als das zu nehmen. Ein Begleitheft, das die Werke durchnummeriert erläutert, hilft bei der Orientierung. Am Schluss öffnet sich der riesige Raum mit dem „Kapital“ und den von Beuys beschriebenen Kreidetafeln an der Wand.
Der Künstler hatte die Installation 1980 für die Biennale in Venedig geschaffen. 1984, zwei Jahre vor seinem Tod, baute er das Werk in den eigens dafür eröffneten Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen wieder auf, die damit zu einer Kultstätte für Kunstfreunde wurden. Drei Jahrzehnte später kam das Aus. Nach einem erbitterten Rechtsstreit sprach ein Schweizer Obergericht das Werk drei Kunstsammlern zu - das Schaffhauser Museum musste schließen.
Dass beim Verkauf im vergangenen Jahr schließlich der Sammler Marx den Zuschlag bekam, war ein Glück für Berlin. Auch ein arabischer Staat und das Metropolitan Museum in New York waren als Interessenten im Gespräch, wie Marx damals verriet. „Wenn die im Spiel sind, ist es nicht mehr billig.“