Meinung Atomausstieg wird zur Sache des Steuerzahlers

März 2011: Unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima verabschiedet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel quasi über Nacht von der Kernkraft. Was in ihrer Partei über Jahrzehnte richtig war, gilt nicht mehr.

Die CDU-Politikerin folgt damit dem Willen von weiten Teilen der Bevölkerung. Und auch die Union hat mit der Energiewende längst ihren Frieden gemacht.

Spätestens 2022 wird das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Was dann folgt, ist der Rückbau der Reaktoren und die Endlagerung des strahlenden Mülls. Zur Deckung der Kosten haben die Betreiber der Anlagen Rückstellungen von 38 Milliarden Euro gebildet. Viel Geld. Aber reicht das? Die bisherigen Erfahrungen mit dem Abwracken von Atommeilern zeigen, dass die tatsächlichen Kosten deutlich über den Erwartungen liegen. Dass die Energie-Experten vom DIW die Gesamtkosten auf 50 bis 70 Milliarden Euro schätzen, wundert also nicht.

Solche Zahlen lösen bei den Betreibern blankes Entsetzen aus. Ziel der Konzerne ist es, die Haftung zu begrenzen. So hat das schwedische Unternehmen Vattenfall, hierzulande zuständig für die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel, den Beherrschungsvertrag zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft gelöst. Ähnlich agiert Eon. Der Konzern gliedert sein Geschäft mit Kraftwerken aus und hofft, auf diese Weise die Kosten des Atomausstiegs begrenzen zu können. RWE und EnBW, die beiden übrigen Betreiber von Atomanlagen, dürften ähnliche Pläne in der Schublade haben.

Bundeswirtschaftswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will das mit einem weitreichenden Haftungsgesetz verhindern. Gut so. Es kann nicht sein, dass die Konzerne jahrzehntelang mit der Kernenergie Milliarden verdienen und sich beim Aufräumen aus der Verantwortung stehlen.

Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kosten des Atomausstiegs zum Großteil am Steuerzahler hängenbleiben. Denn in der Haftung sind Unternehmen, die die Energiewende verschlafen haben. Die Bewertung der Konzerne an der Börse zeigt, dass ihnen kaum noch jemand eine rosige Zukunft zutraut. Damit sind auch die Rückstellungen bedroht. Die 38 Milliarden Euro liegen nämlich nicht auf einem Festgeldkonto, sondern sind in Vermögensgegenständen wie Kraftwerken gebunden. Und deren Wert sinkt rapide.