Meinung Das Abschiebe-Theater
Wer aus Deutschland abgeschoben wird, hat in der Regel den Rechtsweg in einem Ausmaß ausgeschöpft, das wenig Platz für Zweifel an der Rechtmäßigkeit lässt. Der Begriff der „Sammelabschiebungen“ wird absichtlich falsch verwendet, wenn mit ihm der Eindruck erweckt werden soll, es sei nicht jedes menschliche Schicksal im Einzelfall mit all seinen Besonderheiten geprüft worden.
Gerade weil jeder Einzelfall auch als solcher behandelt wird, kommen in NRW von rund 60 000 im Prinzip Ausreisepflichtigen für eine Abschiebung nur rund 12 000 Personen für eine Abschiebung infrage. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Wer aus Prinzip dagegen ist, ausreisepflichtige Personen zur Ausreise zu zwingen, wer hinter jeder Abschiebung ganz grundsätzlich eine Menschenrechtsverletzung wittert, verweigert in der Konsequenz wirklich schutzbedürftigen Flüchtlingen die Chance auf Aufnahme.
Aufnahme und Abschiebung sind keine Gegensätze, sondern einander bedingende Kernelemente einer sachlichen Flüchtlingspolitik, die neben einer Willkommens- auch eine Rückführungskultur umfassen muss, wenn sie funktionieren soll. Insofern spricht nichts dagegen, 34 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abzuschieben, von denen im konkreten Fall rund ein Drittel Straftäter waren.
Was diesen konkreten Fall jedoch zum Ärgernis macht, ist sein politischer Inszenierungs-Charakter: Seht her, wir tun etwas. Diese Inszenierung verschleiert vor allem, was nicht getan wird. Im Juni kam der NRW-Innenminister zu dem Ergebnis, dass von rund 44 000 abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerbern in NRW mehr als 23 000 aus den sicheren Herkunftsländern des Westbalkans stammen. Die Gründe ihrer Duldung sind also offenkundig entfallen.
Wer dieses Problem nicht konsequent und sachlich angehen will, der sollte sich Show-Abschiebungen nach Afghanistan sparen. Sie tragen wenig zur Lösung bei.