Das Déjà-vu des Kalten Krieges

Gerd Niewerth kommentiert die Georgien-Krise.

Die kleine Kaukasusrepublik Georgien liegt George W. Bush sehr am Herzen. Als "Leuchtturm der Freiheit" pflegt der US-Präsident die frühere Sowjetrepublik zu lobpreisen. Gewiss, das Land hat sich modernisiert, und Tiflis pocht laut an die Pforten von Nato und EU.

Doch nun dieses Husarenstück in Südossetien. Dass Michail Saakaschwili, ein nervöser Hasardeur im Präsidentenamt, seine Armee in die abtrünnige Region schickt, passt ganz und gar nicht zur noblen Friedensphilosophie des Nordatlantikpaktes.

Dass die Nato-Außenminister Georgien im Dezember grünes Licht geben für die Aufnahme in das Nato-Beitrittsprogramm ist nun unvorstellbar. Mehr noch: Nach dem provokativen Militärschlag dürften Tiflis’ Nato-Ambitionen für sehr lange Zeit auf Eis gelegt werden.

Man stelle sich vor, Georgien besäße bereits heute die Klubkarte im mächtigsten Militärbündnis der Welt. Dann hätten wir den Verteidigungsfall, der die gesamte Nato-26 in den gefährlichen Kaukasus-Schlamassel hineinziehen würde. Mit seiner katastrophalen Politik hat sich Saakaschwili ins eigene Knie geschossen. Er lieferte Moskau den willkommenen Vorwand, um endlich loszuschlagen.

Der Westen musste ohnmächtig mit ansehen, wie Moskau im Kaukasus seine Rückkehr als Supermacht geradezu zelebrierte. Der russische Bär ist wieder da, und Russlands Warnung ist klar: Auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion werden keine weiteren Nato-Mitglieder geduldet.

Selbst wenn nun die Waffen schweigen, brechen für Europa harte Zeiten an. Denn der Konflikt besteht fort. Sowohl Russland als auch die USA sind Teil des Problems, nicht der Lösung. In Georgien haben die Europäer ihr Déjà-vu des Kalten Krieges.

Wie soll Europa mit dem wieder erstarkten Russland umgehen? Leisetreterei ist ebenso fehl am Platze wie Konfrontation. Die EU ist auf Russland angewiesen - umgekehrt gilt dasselbe. Spräche Europa mit einer Stimme, ließe sich deutlich mehr bewegen.

Auf der heutigen Sondersitzung der EU-Außenminister wird sich herausstellen, wie gespalten die Union der 27 tatsächlich ist: Hier die Steinmeiers und Kouchners, die moderate Dialog-Fraktion also, dort die sowjetgeschädigten Polen und Balten, die Moskau am liebsten hart bestrafen würden.