Meinung Der Fall Twesten: Stimmungskiller für Schulz - Warnung für Merkel
Die Wut ist verständlich, dennoch sollte die SPD, wenn sie keine Beweise hat, vorsichtig sein mit Anspielungen, Elke Twesten habe sich für ihren Übertritt von der CDU mit Jobversprechen regelrecht herauskaufen lassen.
Das vergiftet das ohnehin durch den Vorgang stark belastete politische Klima in Hannover noch zusätzlich und leistet der Legendenbildung auf lange Zeit Vorschub.
Ein Wechsel außerhalb regulärer Wahlen ist immer schmerzhaft, oft auch dreckig. Das war beim gescheiterten Misstrauensvotum 1972 gegen Willy Brandt schon so, das war so als die FDP Helmut Kohl mitten in der Legislaturperiode zum Kanzler machte, und das war so, als der anonyme „Heide-Mörder“ zuschlug und Heide Simonis in Schleswig-Holstein die schon sicher geglaubte Wiederwahl verweigerte. Es ist besser für die politische Kultur, wenn alle Beteiligten, vor allem die negativ Betroffenen, mit einer gewissen Gelassenheit über solche Vorgänge hinweg gehen. Sie sind selten, aber sie kommen in allen Parteien vor.
Der einzelne Abgeordnete ist frei, sein Mandat gehört keiner Partei. Allerdings würde Elke Twesten mehr persönlichen Respekt für ihren Schritt verdienen, wenn sie ihr Mandat zurückgäbe, denn das hat sie nur über die Landesliste bekommen, nicht als Direktbewerberin. Also nur in ihrer Eigenschaft als Grüne. Freilich lässt sich das nicht erzwingen.
Zweifellos ist das Ereignis ein Schlag ins Kontor für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Es ist nach dem Verlust der Mehrheiten in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ein weiteres Negativerlebnis, ein echter Stimmungskiller. Es bedeutet darüber hinaus das absehbare Aus für das rot-grüne Modell. Nirgendwo außer in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg reicht es für diese beiden Parteien noch zur Mehrheit. Im Bund war Rot-Grün zwar für diesen Wahlkampf ohnehin keine wirkliche Option mehr. Jetzt kann man sagen: Sie ist endgültig tot. Die Macht-Möglichkeiten von Martin Schulz werden so immer weniger. Was seiner Kampagne immer mehr Schwung nimmt.
Freilich muss auch Angela Merkel aus dem Vorgang in Hannover Schlüsse ziehen. Sie spekuliert ja darauf, entweder mit der FDP oder mit den Grünen nach der Wahl eine kleine Koalition zu bilden. Die würde nach Lage der Dinge voraussichtlich nur einen hauchdünnen Vorsprung haben. Und hat auch noch die CSU dabei, die immer für Querschüsse gut ist. Merkel hat am Beispiel Niedersachsen gesehen, wie schnell so eine knappe Koalition scheitern kann.
Will sie den Erfolg ihrer letzten Amtszeit, also ihr politisches Vermächtnis, an irgendeinen Twesten aus der Hinterbank knüpfen? Das wird sich Merkel nun drei Mal überlegen und ihre Koalitionswahl, so sie nach dem 24. September die Möglichkeit dazu hat, sehr stark nach einen zusätzlichen Kriterium ausrichten: Der Stabilität der neuen Mehrheit.