Die Nato und die Dominanz der USA

Den Deutschen mangelt es angeblich an Bündnistreue.

Umfragen der "Financial Times" in Sachen Bündnistreue haben Bemerkenswertes zu Tage gebracht. In der Schlüsselfrage, ob sie den Letten, Esten und Litauern im Falle eines russischen Militärschlages beistehen würden, ist die Ablehnung in Deutschland sehr hoch.

Mehr als die Hälfte lehnt es ab, die Bundeswehr in den Krieg gegen Russland ziehen zu lassen. Eine Weigerung, die im Gegensatz steht zu den Abmachungen des Nato-Vertrages, der in Artikel V den Bündnisfall vorschreibt. Danach wird der Angriff auf ein einzelnes Nato-Land gleich gesetzt mit einer Attacke auf die gesamte Allianz.

Washington wird diese deutsche Zurückhaltung nicht überraschen. Schon als George W. Bush die Nationen für den Waffengang gegen den Irak hinter sich sammelte, haben die Deutschen gefehlt. Auch im Süden Afghanistans, wo die Hauptlast im Krieg gegen die Aufständischen zu tragen ist, macht die Bundeswehr nicht mit.

Ist Deutschland somit ein Bündnispartner zweiter Klasse? Der Blick auf die Realitäten spricht eine andere Sprache: Deutschland gehört in Afghanistan zu den größten Truppenstellern, gleiches gilt für den Balkan. Nicht zu vergessen die EU-Friedensmissionen, bei denen Deutschland oft genug voranmarschiert.

Eine deutsche Zurückhaltung in der übrigens sehr hypothetischen baltischen Beistandsfrage offenbart eher ein gravierendes (Image-) Problem der Nato. Nicht nur, dass sie ohne Visionen und strategisches Konzept da steht. Hinzu kommt, dass die Hypermacht USA eindeutig den Ton angibt, während die übrigen 25 treu ergeben die Hacken zusammenschlagen müssen.

Auch im aktuellen Kaukasus-Konflikt sind es vor allem die USA, die für die Nato Eventualfallpläne, Manöver, eine abschreckende Streitkräfteplanung und höhere Verteidigungsausgaben einfordern. Wohltuend hebt sich davon die EU ab. Zu Unrecht als unfähige Kompromissmaschine verschrien, entpuppt sie sich nun als "sanftes Imperium" und erfolgreicher Konfliktmanager.

Wenn’s um Russland geht, sollte die spezielle deutsche Befindlichkeit nicht unterschlagen werden. Nach dem schrecklichen Gemetzel zweier Weltkriege verspüren Deutsche - und Russen ebenso - keinerlei Drang, erneut mit Waffen aufeinander los zu gehen.