Das System wird den Schock verkraften

Als vor einem halben Jahr die amerikanische Regierung mit der Notenbank an einem Strang zog, um das traditionsreiche Wertpapierhaus Bear Stearns vor dem Untergang zu bewahren, hatten Anleger gehofft, dass das Schlimmste überstanden sei.

Langsam, aber sicher werde sich die Spreu vom Weizen trennen. Einige kleinere Banken, die sich am US-Immobilienmarkt kräftig verspekuliert hatten, würden womöglich die Segel streichen. Die Branchen-Giganten hingegen würden schlimmstenfalls weitere Wertberichtigungen vornehmen. Sobald der Sturm vorbeigezogen ist, würden sie dann mit bereinigten Bilanzen besser dastehen als zuvor.

Doch mit dem Untergang von Lehman Brothers, der Übernahme des Wall-Street-Titanen Merrill Lynch durch die Bank of America und der Unsicherheit über die Zukunft des größten US-Versicherungskonzerns AIG ist der vorsichtige Optimismus verflogen. Aufgeregte Experten zeichnen im US-Fernsehen sogar ein Weltuntergangsszenario, wonach das Finanzsystem zusammenbrechen könnte, wollen aber nicht richtig beschreiben, was darunter eigentlich zu verstehen ist.

Das würde ihnen auch gar nicht gelingen. Das globale Finanzsystem wird die Krise überstehen. Bei der US-Sparbankenkrise vor 20 Jahren gingen mehrere tausend Banken unter, doch die Branche überlebte. Diesmal gab es gerade einmal ein Dutzend Bankenpleiten, auf die wohl weitere folgen werden. Doch die Weltmärkte werden den Schock dennoch verkraften.

Um die Märkte zu beruhigen, werden die Notenbanken den Geldhahn weiter aufdrehen, als ihnen angesichts steigender Inflation eigentlich lieb ist. Auch müssen sich Aktionäre auf weitere Kursverluste gefasst machen. Es könnte erneut eine Flucht aus dem Dollar geben, die den Kurs des Euro wieder beflügeln würde. Auch müssen Verbraucher damit rechnen, dass ängstliche Banken, die jahrelang mit dem Geld um sich warfen, vorsichtiger werden und Kredite schwerer zu bekommen sind.

Und: Die künftige US-Regierung wird konsequente Reformen zur besseren Finanzmarktüberwachung umsetzen müssen. Nur so kann verhindert werden, dass sich die Exzesse am Immobilienmarkt in einem anderen Bereich wiederholen.