Auch diese SPD-Spitze agiert auf Abruf
Glaubwürdigkeit zurückgewonnen, Machtperspektive verloren.
Ein Führungswechsel im Handstreich und ein Kanzlerkandidat ein Jahr vor dem Wahlgang: Ist diese SPD überhaupt in der Lage, die Große Koalition fortzusetzen, fragt nicht nur Guido Westerwelle. Ja natürlich, lautet die Antwort. Weder die Union noch die SPD haben ein Interesse daran, ihre erzwungene Zusammenarbeit einen einzigen Tag vor dem 27. September 2009 aufzugeben. Ein vorzeitiges Scheitern würde die kleinen Parteien nur noch stärker machen, als sie ohnehin schon sind.
Das kann auch der Union nicht recht sein. Schließlich gehört es zur Dialektik von Großen Koalitionen, vier Jahre lang das Land vernünftig regieren zu müssen und doch vom ersten Tag an beweisen zu wollen, dass man es das nächste Mal besser allein machen kann.
Das war in den 60er Jahren bei Kurt-Georg Kiesinger und Willy Brandt nicht anders. Außerdem kann Angela Merkel mit Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier besser als mit Kurt Beck - auch wenn sich der Außenminister als ihr Herausforderer jetzt stärker in Szene setzen wird.
Die SPD hat ein ganz anderes Problem: Wenn Opposition tatsächlich Mist ist, kann sie nach der nächsten Bundestagswahl nur auf eine Fortsetzung der Großen Koalition setzen. Während die Union offiziell auf eine schwarz-gelbe Mehrheit baut, sich insgeheim aber auf ein sogenanntes Jamaika-Bündnis mit Liberalen und Grünen vorbereitet, hat sich die SPD mit dem Kanzlerkandidaten Steinmeier von der Option eines rot-rot-grünen Bündnisses im Bund verabschiedet.
Auch unter ihrer neuen Führung kann die SPD die Unvereinbarkeit der notwendigen Rückgewinnung ihrer Glaubwürdigkeit mit dem Gewinn einer zukunftsträchtigen Machtperspektive nicht auflösen. Franz Müntefering mag in der Lage sein, Oskar Lafontaine endlich Paroli zu bieten, während Frank-Walter Steinmeier auch für die bürgerliche Mitte wählbar ist.
Sie können es schaffen, die SPD vor einem Absturz ins Nichts zu bewahren. Und das ist mit Blick auf die jüngsten Auflösungserscheinungen der Partei nicht wenig. Schon in einem Jahr aber wird sich die SPD die Führungsfrage erneut stellen - egal ob sie dann erneut den undankbaren Part des Juniorpartners in einer Großen Koalition besetzt oder sich in der Opposition wiederfindet.