Ein Signal der Geschlossenheit
EU lässt sich von Russland nicht auseinanderdividieren.
Im Arsenal des Kreml zählt das „Teile-und-herrsche“-Prinzip seit jeher zu den effektivsten Waffen – insbesondere was die Europäische Union betrifft. Geht’s darum, einen gemeinsamen Kurs in der Außenpolitik zu finden, erweist sich der auf 27 Mitglieder angewachsene Klub regelmäßig als harmlose Truppe, die krampfhaft den Gleichschritt sucht. Die Brüsseler Malaise ist für gewöhnlich Moskaus große Stärke.
Der EU-Sondergipfel zur Kaukasus-Krise hat nun erfreulicherweise gezeigt, dass es auch anders geht. Indem die 27 Staats- und Regierungschefs die russische Aggression in Georgien und das imperiale Großmachtstreben scharf verurteilen, senden sie ein klares Signal der Geschlossenheit. Wenn nun notorische EU-Nörgler einwenden, dass die Brüsseler Elf-Punkte-Erklärung den Herren im Kreml wenig imponieren wird, irren sie.
Die EU ist – wenn auch in ihrer typischen Behäbigkeit – dabei, rote Linien zu markieren, die Moskau künftig nicht mehr überschreiten sollte. Gleichzeitig taten die Staatschefs gut daran, der großen Versuchung zu widerstehen, Moskau mit empfindlichen Sanktionen mal so richtig abzuwatschen. Das wäre ganz im Sinne der Balten, Polen, Tschechen und auch der Briten gewesen. Aber die traditionelle Dialog-Fraktion, angeführt von Deutschland und Frankreich, verhinderte ein nervöses Drehen an der Eskalationsspirale.
Europa braucht Russland: als Tankstelle, als Verbündeten in der Terrorismusbekämpfung, aber auch als kaufkräftigen Wirtschafts- und Handelspartner. Nur: Die Abhängigkeit beruht auf Gegenseitigkeit. Ohne den Westen vermag Russland seine immer noch veraltete Wirtschaft niemals auf Vordermann zu bringen.
Der Brüsseler Gipfel ist nur ein Abschnitt einer heftig umkämpften Schachpartie. Nun ist Moskau an der Reihe. Es ist an den Putins, Medwedews & Co zu beweisen, dass sie keine skrupellosen Aggressoren sind, sondern seriöse Partner. Die Beziehungen der EU zu Russland stehen am Scheideweg, heißt es im Gipfel-Kommunique. Wohl wahr. In ihrer ungestümen Erweiterungseuphorie hat die EU sträflich eine der elementarsten Fragen außer Acht gelassen: Wo genau ist Russlands Platz in Europa? Der Brüsseler Gipfel markiert nicht das Ende einer Grundsatzdebatte, sondern erst den Anfang.