Personelle und programmatische Klarheit
Alexander Marinos kommentiert den Führungswechsel bei der SPD.
Den Kanzlerkandidaten noch vor der bayerischen Landtagswahl in drei Wochen zu benennen, war an sich eine gute Entscheidung. Die SPD wollte mit Frank-Walter Steinmeier, ihrem zurzeit beliebtesten Politiker, ein positives Signal senden, um der CSU noch die entscheidenden Prozentpünktchen abzujagen. Verlieren die Christsozialen am 28. September ihre absolute Mehrheit, dann schwächt das die Union bundesweit.
Geschwächt erscheinen nun jedoch auf den ersten Blick die Sozialdemokraten. Die Beantwortung der K-Frage mit einem De-facto-Putsch gegen Parteichef Kurt Beck zu verbinden, hinterlässt zunächst den Eindruck von Chaos. Und Chaos mögen die Wähler normalerweise gar nicht.
Bei der SPD jedoch, die sich seit Monaten im freien Fall befindet, könnte aus dem Scherbenhaufen etwas Neues entstehen. Vom Schwielowsee geht aus zwei Gründen eher ein Aufbruch- denn ein Abbruchsignal aus. Erstens: Steinmeier garantiert bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus personelle Kontinuität.
Zweitens: Zusammen mit dem neuen alten Parteichef Franz Müntefering wird er keine Zweifel über den künftigen Kurs zulassen. Die SPD wird weiterhin für eine Reformpolitik stehen, die von Gerhard Schröder begonnen wurde. Insofern ist seit gestern auch dies geklärt: Schröder ist zwar nicht mehr da, aber auch noch lange nicht weg.
Auf seine Nachlassverwalter wartet nun eine Menge Arbeit. Steinmeier kann sich nicht länger wie eine geschmeidige Katze durch die politische Landschaft bewegen. Er muss nun brüllen wie ein Löwe, um sich Gehör zu verschaffen. Dass er das kann, hat er bei vielen Parteiveranstaltungen bewiesen - zuletzt eindrucksvoll beim Oberbürgermeister-Wahlkampf in Düsseldorf. Das nötige Charisma, das er braucht, um dabei nicht unsympathisch zu wirken, besitzt er.
Müntefering muss vor allem die Flügel zusammenhalten. Die Parteilinke wird sich nicht so leicht an den Rand drängen lassen. Die Gefahr, dass der SPD die Basis wegbricht, ist real. Schließlich waren es die Landesverbände, auf die sich Beck bis zuletzt stützen konnte. Allein die Wirkungsmacht des "Münte-Effekts" kann nur vorläufig für den nötigen Kitt sorgen. Denn als Hoffnungsträger eignet sich der 68-Jährige langfristig nicht.