Selbstdemontage eines Altkanzlers
Friedrich Roeingh kommentiert Schröders Kritik am Westen.
Da hat einer offenbar immer noch nicht überwunden, dass er die Führung des Landes in andere Hände legen musste. Gerhard Schröder lässt kaum eine Gelegenheit aus, Angela Merkel grundlegende Fehler in der Amtsführung zu bescheinigen. Das überhebliche "Die kann es nicht", mit dem Schröders Weggefährte Franz Müntefering die einstige Konkurrentin wegbeißen wollte, muss sich doch beweisen lassen.
Mit seinen Belehrungen zum Kaukasus-Konflikt ist Schröder aber nicht nur als der notorische Besserwisser am Werk. Obwohl sich der ehemalige Kanzler einer persönlichen Freundschaft zum heutigen Ministerpräsidenten Putin rühmt und auf der Gehaltsliste des russischen Staatskonzerns Gasprom steht, gibt er ungerührt den elder statesmen.
Dazu fehlt Schröder eben nicht nur die Weisheit des Alters, sondern jegliche Distanz zu einer der beiden Konfliktparteien im Kaukasus. Mit seinem unmittelbaren Wechsel vom Kanzleramt in die Lobbyisten-Dienste des russischen Staatskonzerns hatte Schröder nachhaltig die Würde seines ehemaligen Amtes beschädigt. Wenn sich der hochdotierte Lobbyist jetzt als nüchterner politischer Beobachter aufspielt, demontiert er nur noch sein persönliches Ansehen.
All dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob Schröder richtig oder falsch liegt. Dass die Vereinigten Staaten und in ihrem Schlepptau die Nato nach dem Zerfall des sowjetischen Reiches den schwächelnden russischen Bären allzu sehr in die Enge getrieben haben, schwant mittlerweile auch anderen.
Und dass es ein Fehler der Kanzlerin war, ausgerechnet dem georgischen Staatspräsidenten Saakaschwili die Nato-Mitgliedschaft zu versprechen, nachdem er die Kaukasus-Krise mit seinem gewaltsamen Einmarsch in Südossetien losgetreten hatte, ist längst Mehrheitsmeinung.
Gerhard Schröder hätte die eiskalte Berechnung bewundern können, mit der die russische Regierung die Krise für sich ausgenutzt hat. Er hätte die Chuzpe würdigen mögen, mit der Russland den Friedensplan nur Millimeter für Millimeter umgesetzt hat. Wenn er aber die Menschen, die in diesem Krieg durch die russische Armee getötet worden sind, mit dem verniedlichenden Begriff der "überzogenen Gegenmaßnahme" abtut, verletzt er bewusst die Würde der Opfer.