Meinung Die Schaumweinsteuer der Neuzeit heißt Soli
Meinung | Berlin · Olaf Scholz‘ Entwurf für die Abschaffung des Solidaritätszuschlages dürfte Erfolg haben. Nur die, die sehr gut verdienen, sollen den Obolus künftig noch berappen. Das Mitleid mit ihnen wird begrenzt sein. Die große Masse wird entlastet.
Zehn, bald zwölf Milliarden Euro mehr in den Portemonnaies, das ist auch eine Spritze für die Binnennachfrage in schwieriger werdenden Zeiten. Weder Union noch FDP können dagegen große Kampagnen starten, zumal das Modell des SPD-Finanzministers eher großzügig ist und Brüche und Ungerechtigkeiten vermeidet.
Freilich setzt auch dieser Gesetzentwurf eine Praxis in der Finanzpolitik fort, die man nur als sich auftürmende Murkserei bezeichnen kann. Sie macht das deutsche Steuerrecht zum kompliziertesten der Welt und zerstört jene Transparenz, die Voraussetzung für die Akzeptanz der Bürger ist. Nicht nur bei den Reichen. Immer wird selbst der kleinste Ausnahmetatbestand mitbedacht, immer wird versucht, neben einem Steuerzweck noch zehn andere mit zu erledigen.
Und nie wird etwas korrigiert. Die kuriosen Unterschiede bei der Mehrwertsteuer sind dafür ein krasses Beispiel. Außerdem werden einmal eingeführte Steuern niemals abgeschafft. Jetzt auch nicht der Solidarzuschlag, der zwar nur noch für 3,5 Prozent der Zahler erhoben werden soll, aber mit rund 40 Prozent seines bisherigen Aufkommens. Damit wird er im 30. Jahr nach dem Mauerfall zur neuen Schaumweinsteuer, die die kaiserliche Flotte, die sie einst finanzieren sollte, inzwischen sogar schon um ein Jahrhundert überlebt hat.
Klarheit und Wahrheit im Steuerrecht würde bedeuten, diesen Zuschlag ganz abzuschaffen. Es gibt dafür schlichtweg keinen Grund mehr. Schon sein Gründungsmotiv war eine Lüge. Von Anfang an ging es nie um den Aufbau Ost allein, von Anfang an wurden die Mittel auch zweckentfremdet, unter anderem für den Golf-Krieg. Auch so etwas untergräbt die Zahlungsbereitschaft der Bürger. Mit dem Auslaufen des Solidarpaktes ist die Legitimationslücke offensichtlich.
Klarheit und Wahrheit hieße aber auch: Wenn man Reiche stärker besteuern will - und dafür gäbe es gute Gründe - muss man das direkt und zielgenau tun. Das wird dann auch verstanden. Höhere Steuer auf sehr große Erbschaften etwa, denn das sind leistungslose Einkommen, oder eine Vermögensteuer, denn die tut den Betroffenen nicht weh.
Doch hierauf können sich Union und SPD nicht einigen, vor allem weil sich die Union einer solchen Debatte komplett verweigert. Sie hat insofern Mitverantwortung für die Lage. Denn nun sind neben den Besserverdienenden auch Mittelständler und Selbständige die Geiseln einer Auseinandersetzung, in der sich die Koalitionspartner gegenseitig blockieren. Denn sie zahlen den Soli auf die Körperschaftssteuer. Dabei wäre es sinnvoll, gerade sie zu entlasten. Vernünftig ist das nicht.