Meinung Fall Akhanli - Missbrauchtes Werkzeug
Es ist gut, dass es Interpol gibt. Die Organisation dient als Netzwerk, mit dessen Hilfe 190 Staaten ihre Kooperation bei der grenzüberschreitenden Verbrechensverfolgung steuern. So können sich Straftäter nicht durch Flucht über die Grenze der Strafverfolgung entziehen.
Jedoch darf Interpol kein Werkzeug sein, das ein Staat dafür nutzt, Regimegegner zu verfolgen. Eben dieser Verdacht liegt im Fall Dogan Akhanli nahe. Noch ist zwar nicht ganz klar, was die Türkei konkret zur Grundlage ihres Haftbefehls macht, den Interpol mit seiner „Red Notice“ an alle Mitgliedsländer weiterreicht. Offenbar geht es um einen alten Haftbefehl aus dem Jahr 2013, der auf einen noch viel länger zurückliegenden Tatvorwurf zurückgeht, von dem der Schriftsteller schon einmal freigesprochen wurde. Nahe liegt aber auch, dass Akhanli mit einem Roman ins Visier geriet, bei dem es um das Massaker durch die Osmanen an den Armeniern im Jahr 1915 ging.
Nicht Interpol prüft den Vorwurf, der zur Grundlage einer möglichen Auslieferung gemacht wird, sondern das jeweilige Land, in dem sich der Gesuchte befindet. In Deutschland, wo der gebürtige Türke und jetzige deutsche Staatsangehörige Akhanli lebte, hat eben diese Prüfung ergeben, dass der Fall für eine Auslieferung keine ausreichende Basis bietet. Doch weil andere Länder das nicht genauso sehen müssen, ist für einen so Betroffenen jede Auslandsreise mit einem Risiko verbunden. Das hätte Akhanli selbst wissen können. Es hätte dem mit seinem Fall befassten deutschen Staat aber auch gut angestanden, ihn entsprechend zu warnen. Jedenfalls ist es wichtig, in ähnlichen Fällen nun eben dies zu tun. Darüber hinaus gilt: Wenn die am Netzwerk Interpol beteiligten Staaten nicht höchst sensibel auf möglichen politischen Missbrauch ihres gemeinsamen Instrumentariums reagieren, gefährden sie dessen Effektivität insgesamt.