Meinung Gutes Essen für Kinder darf kein Zufallsprodukt sein
Mit der Übermittagsbetreuung in Kindergärten, dem offenen Ganztag an Grundschulen und dem gebundenen Ganztag an vielen weiterführenden Schulen haben Eltern nicht nur ein Stück mehr Erziehungs- und Bildungsverantwortung abgegeben.
Auch die Frage der Ernährung ist zunehmend delegiert. Das Essen, das dampfend auf dem Tisch steht, wenn mittags die Kinder nach Hause kommen, entspricht in vielen Fällen nicht mehr der Lebenswirklichkeit der Familien.
Ob man das als Verlust oder Gewinn empfindet, mag von den persönlichen Erfahrungen abhängen. Wer den täglichen Mittagstisch noch als Kombination von solider Kochkunst und familiärem Erlebnisaustausch kennengelernt hat, wird die Veränderung schmerzlich wahrnehmen. Aber dass auch am heimischen Herd nicht nur Gutes gedeiht, ist hinlänglich bekannt: 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen sind zu dick. Über eine „Übergewichtswelle bei Kindern und Jugendlichen“ haben Ernährungsexperten erst vergangene Woche in Berlin wieder geklagt.
Wenn aber zumindest ein Argument für den Ganztag immer war, dass er mehr Chancengleichheit verspricht, weil Hausaufgabenbetreuung, sportliche und soziale Nachmittagsaktivitäten der Kinder nicht mehr am Wohl und Wehe des elterlichen Engagements hängen, dann darf auch beim Essen nicht weiter geschlampt werden.
Ja, es gibt sie, die Kitas, in denen engagierte Köchinnen noch liebevolle Mahlzeiten vorbereiten. Ja, es gibt sie, die Cateringbetriebe, die bereit sind, 3000 bis 5000 Euro auf den Tisch zu legen, um ihre Produktionsabläufe, Menüzusammenstellungen und Auslieferbedingungen auf den Prüfstand zu stellen.
Aber wenn es stimmt, dass 50 Prozent der Schulen noch nie etwas von den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gehört haben, dann ist beim Schulessen noch zu viel dem Zufall überlassen.
Das hat weniger mit bösem Willen oder Nachlässigkeit zu tun, sondern eher damit, dass Schulämter und Lehrerkollegien nicht zwangsläufig auch Ernährungsexperten sind, der Ganztag aber notgedrungen diese Zuständigkeit mit sich brachte. Dessen Einführung liegt aber nun mehr als ein Jahrzehnt zurück. Für freundliche Appelle war also genug Zeit. Jetzt müssen die entsprechenden Zertifizierungsprozesse Pflicht werden. Zumindest diese Vorschrift ist das Land seinen Kindern schuldig.