Koalitionskrise: Die tiefen Risse innerhalb der Union
Politiker sagen häufig Dinge, an die sie selbst nicht unbedingt glauben. "Dieses Land hat keine Regierung mehr", kommentiert Renate Künast die ergebnisarme Sitzung des Koalitionsausschusses, womit sie ihre Oppositionspflicht als Grüne erfüllt.
Ähnlich aber klingt Peter Ramsauer von der CSU, obwohl die zur Großen Koalition gehört. "Das Ende der Koalition wirft seine Schatten voraus."
Wahr ist, dass Schwarz-Rot keine bedeutenden Projekte aus dem Koalitionsvertrag mehr zu verhandeln hat. Mit der Sommerpause endet die Regierungszeit. Allerdings ist der Plan durch die Krise außer Kraft, weshalb die Ereignisse darüber entscheiden, wie lange regiert werden wird. Mit der Frage, in welcher Qualität regiert wird, ist man wieder bei Ramsauers Bemerkung.
Das Problem der Koalition ist nicht der Wahlkampf, sondern die Zerrissenheit der Union. Die CSU denkt streng an sich, und die CDU teilt sich in Anhänger der Kanzlerin sowie abspenstige Strömungen. Die Mittelständler fühlen sich gequält, wenn Angela Merkel ohne erkennbare Überwindung das Wort "Enteignung" ausspricht. Und sie versuchen Merkel zu quälen, indem sie bei jeder auch unpassenden Gelegenheit an die "Ordnungspolitik" erinnern.
Mit der Kritik an Papst Benedikt hat die Kanzlerin viele Katholiken verstört. Und Erika Steinbach bietet durch ihren Verzicht auf den Platz in der Vertriebenen-Stiftung vielen Konservativen Anlass und Gesicht, um sich im Protest vereint zu fühlen. Die Union ist derart durcheinander, dass dem Sozialdemokraten Peer Steinbrück schwer zu widersprechen ist: "Sie ist derzeit disparater aufgestellt, ein für die SPD ausgesprochen ungewohnter Zustand." Ein für die Union ungewohnter Zustand ist, dass die Kanzlerin mit Sozialdemokraten besser zusammenarbeitet als mit ihrer eigenen Fraktion. Vorzugsweise mit dem Finanzminister teilt Merkel einen überparteilichen Pragmatismus, den sie in der Krise noch mehr schätzen dürfte als ohnehin.
Merkels Vorstellung von unaufgeregtem Regieren ließe sich mit der SPD und einer komfortablen Mehrheit auch nach der Bundestagswahl leichter verwirklichen als in anderen Konstellationen. Möglicherweise sind die Schatten vom Ende, die Ramsauer sehen will, ziemlich lang.