Mehr Schutz vor Wiederholungstätern
Ein klarer Fall von Justizversagen - auf den ersten Blick. Da lehnen Münchner Richter es ab, eine Sicherungsverwahrung gegen einen wegen Vergewaltigung verurteilten Täter zu verhängen, obwohl der Mann von Gutachtern als rückfallgefährdet eingeschätzt wird.
Einer der Richter gibt dann auch noch ein Interview: Er hoffe, dass es nicht zu einer weiteren Straftat kommt, sagt er da. Für die Menschen im Kreis Heinsberg - hier lebt der Freigelassene inzwischen - klingt das wie Hohn. Die Justizschelte des bayerischen Innenministers Herrmann, der sich "entsetzt" zeigt, scheint berechtigt. Und ist es am Ende doch nicht. Denn wer hier auf die Richter losgeht, schlägt den Pianisten, obwohl er den Komponisten, nämlich den Gesetzgeber, meint.
Das Landgericht München hat sich nämlich nur an das Gesetz gehalten. Das Gesetz - und darüber darf sich ein Richter nicht hinwegsetzen - weist eine gefährliche Lücke auf, die in diesem Fall offensichtlich wurde. Nachträglich, das heißt nach dem Strafurteil, kann ein Gericht eine Sicherungsverwahrung nur dann verhängen, wenn seit dem Urteil neue Tatsachen bekannt geworden sind, die eine solche Maßnahme rechtfertigen. Solche neuen Tatsachen gab es in dem Fall offenbar nicht. Die psychiatrischen Gutachter waren vielmehr mittlerweile nur zu einer neuen Bewertung der Gefährlichkeit gelangt. Wenn das Gesetz aber nun mal neue Tatsachen vorschreibt, nicht aber eine neue Bewertung genügen lässt, dann kann sich ein Richter nicht einfach darüber hinwegsetzen.
Vielmehr ist der Gesetzgeber gefordert. Gewiss, eine Verschärfung der Regeln über die Sicherungsverwahrung darf nicht mit leichtem Federstrich geschehen. Schließlich bedeutet Sicherungsverwahrung, dass man jemanden für eine Straftat einsperrt, die er noch gar nicht begangen hat, möglicherweise nie begehen würde. Ein Sonderopfer zum Schutz der Allgemeinheit, das derzeit bundesweit rund 430Menschen abverlangt wird. Wenn die Gesellschaft in solchen Fällen zu Recht mit dem Schuldprinzip bricht, sollten die Regeln auch konsequent am Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit ausgerichtet werden. Maßgeblich muss die Beurteilung der Gefährlichkeit eines potenziellen Täters zum Zeitpunkt der möglichen Haftentlassung sein.