Meinung Warum der „Grüne Knopf“ nichts ändern wird

Meinung | Berlin · Geiz ist oft noch geil. Bei vielen Produzenten und vielen Konsumenten. Der „Grüne Knopf“ für Textilprodukte ist nur ein Anstoß.

Gerd Müller trägt während seiner Pressekonferenz einen Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegel "Grüner Knopf" am Revers.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Keine Näherin in Bangladesch oder anderswo wird ab sofort mehr Lohn bekommen oder weniger als 16 Stunden arbeiten müssen, weil sich Entwicklungsminister Gerd Müller nach eigenem Bekunden einen neuen Anzug mit grünem Knopf gekauft hat. Also das Produkt eines Herstellers, der sich am staatlichen Textilsiegel beteiligt und auf besondere Sozial- und Umweltstandards bei der Produktion in Niedriglohnländern achtet.

Auch werden jetzt bei manchen beliebten Ketten die T-Shirts für eine Handvoll Euro nicht aus dem Sortiment verschwinden. Das Elend in Vietnam, Indien, Kambodscha oder Rumänien, die Kinderarbeit und die moderne Sklaverei werden noch lange bleiben. Denn Geiz ist oft noch geil. Bei vielen Produzenten und vielen Konsumenten. Das gehört leider zum Wesen der westlichen Wegwerfgesellschaft. Also bleibt auch mit dem Grünen Knopf alles beim Alten?

Im Prinzip leider ja. Zahlreiche große und international agierende Marktführer der Textilbranche beteiligen sich gar nicht am Siegel, und wenn doch, gehört Nachhaltigkeit mitunter bereits zum Firmenprogramm. Vor allem aber setzt Müller mit seinem Siegel auf Freiwilligkeit, wie schon bei seinem vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Textilbündnis für bessere Arbeitsbedingungen, das sich seitdem dahin schleppt. Obwohl der Trend in Europa zu gesetzlichen Regelungen geht - so haben Frankreich und Großbritannien ihre Unternehmen längst verpflichtet, höhere Standards entlang ihrer weltweit verwobenen Lieferkette einzuhalten.

Müller verzichtet darauf, auch wegen des Widerstands innerhalb der Union und des Wirtschaftsministeriums. Sicher, Lieferketten im Textilbereich sind aufgrund ihrer Kleinteiligkeit schwer zu kontrollieren, aber möglich ist das. Darüber hinaus soll das neue Siegel Produkte auszeichnen, die fair und ökologisch hergestellt sind – und die dafür bereits zum Teil schon andere Logos erhalten haben. Der Mehrwert ist also gering. Unter fair wird zudem in Bangladesch etwas anderes verstanden als in den Ländern Westeuropas. Speziell bei den Löhnen.

Hagen Strauß.

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Es stimmt allerdings, Nachhaltigkeit braucht einen langen Atem, insbesondere dann, wenn man sich mit einer Branche anlegt die für sich reklamiert, Millionen Menschen in Ländern mit geringem Einkommensniveau das wirtschaftliche Überleben zu sichern. In den meisten Staaten stünden mittelfristig sicherlich keine Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung, weshalb die Herausforderung tatsächlich darin besteht, die Verhältnisse zu verbessern. Das versucht Müller unermüdlich, seit er Minister ist. Sein Siegel ist dafür zumindest ein sichtbarer Anstoß.

Vor allem aber hängt es mal wieder am Verbraucher. Er hat die Hebel zur Veränderung der Lage der Näherinnen in der Hand. Zwar ist der durchschnittliche Verbrauch gekaufter Kleidung in den letzten Jahren um 60 Prozent gestiegen. Doch Umfragen zeigen, dass langsam aber sicher den  Kunden die Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Produkten wichtiger wird. Wenn dem so ist, sollte man sich im Laden auch so verhalten.