Meinung Polizei-Skandal im Fall Lügde ist unerträglich für die Opfer

Meinung | Düsseldorf · Für die Gesellschaft ist es nicht hinnehmbar, dass Behörden nicht nur offenbar nicht genau hinsehen, sondern wohl auch aktiv Aufklärungsarbeit verhindern. Für die Opfer der Lügder Verbrechen ist diese Annahme mehr als das. Ein Kommentar.

Ein Absperrband der Polizei ist vor einem Gebäude auf dem Campingplatz Eichwald zu sehen.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Die Dimension des Missbrauchsfalls in Lügde bei Detmold ist nicht mehr zu fassen. Sie war es schon vor Donnerstag nicht, weil Jugendämter in diesem Land nicht getan haben, wofür sie zuständig sind: das Kindeswohl zu schützen. Ausgerechnet dem Hauptverdächtigen für zahlreichen sexuellen Missbrauch von Kindern wurde auf Antrag der Mutter ein Kind zur Pflege auf einem schmuddeligen Campingplatz gegeben – und danach trotz diverser Hinweis nur unzureichend kontrolliert. Schon das macht atemlos, wütend. Und lässt das Vertrauen in die Behörden schwinden.

Das neue Licht, das auf diesen Fall seit Donnerstag scheint, ist grell. Und es markiert ein Polizeiversagen in beängstigender Form. Weil fast alle Fragen ohne Antworten sind: Gibt es Polizeibeamte, die die sexuellen Missbrauchstaten absichtlich zu vertuschen versuchen? Wer hatte Zugang zu dieser Asservatenkammer? Warum war sie derart unzureichend geschützt? Und wie kann es sein, dass erst Wochen nach der Beweissicherung drei (!) von 150 Datenträgern ausgewertet sind – und dann offenbar über weitere sechs Wochen weitgehend unbeachtet und frei zugänglich liegen gelassen werden? Man wendet sich mit Schaudern ab.

Dass Wochen eben auch bis zur Meldung des Verlusts vergehen, ist ein Skandal, der das Innenministerium belastet. Man stelle sich nur vor, dem seinerzeit so befeuerten Innenminister Ralf Jäger (SPD) wäre der Fall Lügde passiert: er hätte es politisch wohl nicht überlebt. Innenminister Reul hat jetzt die Aufgabe, mit erster Priorität für lückenlose Aufklärung des Falls in Lügde und seiner Umstände zu sorgen.

Für die Gesellschaft ist es nicht hinnehmbar, dass kommunale und staatliche Behörden nicht nur offenbar nicht genau hinsehen, sondern wohl auch aktiv Aufklärungsarbeit be- und verhindern. Und für die Opfer der Lügder Verbrechen ist diese Annahme mehr als das: sie ist unerträglich.